Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
Viele werden lieber untergehen.«
»So war es damals bei uns auch.«
Und sie werden mich hassen und einen Verräter nennen, wenn ich versuche, sie zu retten, und ich werde so enden wie mein Vetter Wenzel von Böhmen , dachte Tugomir, doch er sprach es nicht aus.
»Ich will dir nicht vorgaukeln, dass Gott es dir leicht machen wird, Tugomir, denn das ist nicht seine Art. Aber du hast allen Grund, zuversichtlich zu sein. Den wenigsten offenbart Gott sich mit einem Wunder wie dem heutigen. Wer weiß, womöglich hat er es ebenso für dich gewirkt wie für den König. Du bist gesegnet, mein Freund«, schloss er mit einem Lächeln und schlug das Kreuzzeichen über ihm.
Tugomir zuckte zurück. »Ich glaube, daran muss ich mich erst noch gewöhnen«, bekannte er unbehaglich.
Wenig später kamen die Schiffe aus Xanten, und Otto, Widukind und Tugomir setzten mit dem ersten über.
Der junge Hardwin, der die Panzerreiter in der Schlacht angeführt hatte, wollte vor dem König niederknien, aber der schloss ihn in die Arme, trat dann einen Schritt zurück und betrachtete ihn mit strahlenden Augen. »Wie in aller Welt habt ihr das angestellt?«
Hardwin hob ein wenig ratlos die Schultern. »Wer immer das Kommando bei ihnen führte, war ein Trottel, wenn Ihr meine Offenheit vergeben wollt.«
»Du willst sagen, der Trottel könnte mein Bruder gewesen sein?«, fragte Otto.
Hardwin schüttelte den Kopf. »Ich glaub nicht. Eher der Herzog, Euer Schwager, denken wir. Wie auch immer, sie waren so überrascht, als wir sie von zwei Seiten angriffen, dass sie einfach nicht wussten, wohin sie sich wenden sollten. Ihre Formation – falls sie denn eine hatten – löste sich auf, und sie hatten Angst vor den Hufen unserer Gäule, wichen zurück und verkeilten sich ineinander. Und als sie schließlich völlig kopflos waren, hab ich angefangen, auf Französisch zu brüllen: ›Die Schlacht ist verloren, die Schlacht ist verloren, rette sich, wer kann!‹«
»Du kannst Französisch?«, fragte Otto erstaunt. Es war die Muttersprache vieler Lothringer, aber rechts des Rheins verstand es kein Mensch.
Der junge Edelmann nickte. »Meine Mutter stammt aus Verdun«, erklärte er. »Es war eine verrückte Idee, zugegeben, aber wir waren hart bedrängt und verloren zu viele Männer. Jedenfalls, die Kameraden nahmen den Ruf auf, und es funktionierte tatsächlich: Die Lothringer glaubten, es seien ihre eigenen Leute, die das brüllten. Sie sind gerannt wie die Hasen. Sie haben ihre Waffen und die gesamte Ausrüstung zurückgelassen. Eine schöne, fette Beute. Und wir haben jede Menge Gefangene. Leider weder Euren Bruder noch den Herzog.«
»Weißt du, was aus ihnen geworden ist?«
»Prinz Henning hatte eine stark blutende Wunde, als sie sich zurückzogen. Am Arm, glaub ich, aber er konnte reiten. Herzog Giselbert schien unverletzt.«
»Und unsere Verluste?«
Hardwins Miene wurde ernst. »Schlimm, mein König. Drei Dutzend gefallen, mindestens ebenso viele verwundet, und bei vielen sieht es nicht gut aus.«
»Wo habt ihr sie hingebracht?«, fragte Tugomir.
»In das Zeltlager, das die Lothringer im Wald aufgeschlagen hatten.« Hardwin wies auf einen trägen Wasserlauf zur Rechten, der den Fischteich speiste. »Folgt dem Bach zweihundert Schritte, Prinz, Ihr könnt es nicht verfehlen.«
Tugomir nickte. »Komm hin, sobald du kannst«, riet er dem jungen Soldaten. »Solltest du es nicht wissen: Ein abgebrochener Pfeil steckt in deinem Arm.«
Hardwin grinste. »Ich komme zu Euch, sobald ich mir ein bisschen Mut angetrunken hab«, stellte er in Aussicht.
Während der König mit den Panzerreitern die Verfolgung der geflüchteten lothringischen Armee aufnahm, kümmerte Tugomir sich um die Verwundeten, und Widukind ging ihm zur Hand. Der Anblick von Wunden und fehlenden Gliedmaßen, der Gestank von Blut und Kot, das Schreien und Stöhnen brachten den Priester nicht aus der Ruhe, und weil er widerspruchslos tat, was man ihm auftrug, war er brauchbarer als so mancher der sächsischen Wundärzte.
Nach drei Stunden waren die hoffnungslosen Fälle tot oder bewusstlos, die Stümpfe ausgebrannt, die schlimmsten Wunden versorgt, und das Durcheinander und der Radau im Lazarettzelt legten sich allmählich.
»Sag mir, was es mit dieser heiligen Lanze auf sich hat«, bat Tugomir seinen Gehilfen, während er einem leise jammernden Graubart eine Wunde am Rücken nähte.
»Du weißt von der Kreuzigung Jesu Christi, richtig?«, fragte Widukind.
»Ja. Er war
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