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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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als ich gerade das Tor überkletterte, und erwischte mich. Ich bin auf der anderen Seite in den Graben gestürzt. Der führte zum Glück reichlich Wasser nach dem ganzen Regen im Frühling. Ich bin rausgekrabbelt und um mein Leben gerannt.«
    »Bis hierher«, stellte Tugomir fest und legte ihm für einen Moment die Hand auf den Arm. »Ich würde sagen, du bist in der Tat ein Held, Dervan.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Helden sich jemals so erbärmlich fürchten wie ich in den letzten drei Tagen, Prinz.«
    »Ich glaube, du täuschst dich«, widersprach Tugomir, aber er ließ es dabei bewenden. »Leg dich hin. Du musst ein paar Stunden schlafen, und dann musst du essen. Rada und Semela werden sich um dich kümmern.«
    »Und was wirst du tun?«, fragte Semela misstrauisch.
    Ehe Tugomir antworten konnte, steckte Widukind den Kopf durch die Tür. »Alles in Ordnung? Wir fingen an zu befürchten, du hättest uns und deinen Becher vergessen, weil …« Als er den Ausdruck auf ihren Gesichtern sah, brach er ab, und seine Miene wurde besorgt. »Was ist passiert?«
    Tugomir stand auf. »Komm mit mir, Widukind.«
    »Giselbert von Lothringen hat sich von Euch abgewandt, mein König«, berichtete Wichmann.
    »Ich würde sagen, das hat er spätestens mit der Schlacht von Birten getan«, bemerkte Hadald wegwerfend. Der Kämmerer konnte Wichmann Billung nicht ausstehen, wusste Otto.
    »Ihr versteht nicht«, gab Wichmann zurück. Er hielt den Blick gesenkt, als bringe er es nicht fertig, dem verratenen König in die Augen zu sehen. »Er hat … er hat sich dem westfränkischen König unterworfen und ihm … einen Lehnseid geschworen.«
    Otto sah auf seinen gesenkten Kopf – sprachlos. Zum ersten Mal, seit diese Krise begonnen hatte, fürchtete er sich. Die Angst stieg ganz allmählich in ihm an wie der Wasserstand eines Brunnens nach einem heftigen Regenfall und drohte sich seiner zu bemächtigen. Alles schien ihm zu entgleiten. Er hatte sich nicht mehr so machtlos gefühlt, seit Thankmar bedrängt von fünf königstreuen Soldaten rückwärts in die Kapelle der Eresburg geflüchtet war. Auch jetzt entfaltete sich eine Katastrophe gleich vor Ottos Augen, und er wusste nicht, ob er dieses Mal einen Weg finden würde, das Schlimmste zu verhindern.
    Er tat das Einzige, was ihm in einem Moment wie diesem übrig blieb: Er verbarrikadierte sich hinter seiner königlichen Würde. »Wirklich? Und ich war sicher, Giselbert hätte mir bei meiner Krönung Lehnstreue geschworen. Was sollte sein Eid König Ludwig also wert sein?«
    »Oh, ich bin überzeugt, König Ludwig nimmt es nicht so genau«, höhnte Manfried von Minden. »Lothringen ist eine fette Beute: Metz, Cambrai, Köln und all die anderen reichen Handelsstädte. Obendrein die Krönungsstadt Aachen, von der die Karolinger immer schon glaubten, sie müsse doch eigentlich ihnen gehören. Seid versichert, Ludwig würde so ziemlich jeden Kompromiss mit seinem Gewissen schließen, um Lothringen zu bekommen.«
    Der König schlug die langen Beine übereinander. »Vermutlich hat mein Bruder Henning Giselbert auf diese Idee gebracht. Sie sieht ihm ähnlich: klug, aber ehrlos.«
    Die Männer an der Tafel wechselten erstaunte Blicke.
    »Was ist?«, fragte Otto stirnrunzelnd. »Glaubt Ihr, ich hätte noch irgendwelche Illusionen, was meinen Bruder betrifft?«
    »Ähm, nein, mein König«, räumte Hadald ein und strich sich über das strähnige Haar, als wolle er sich vergewissern, dass es noch ordentlich über die Glatze gekämmt war. »Es ist nur, dass man manchmal den Eindruck gewinnen könnte …« Er brach ab.
    Den König der Halbsätze , hatte Thankmar ihn immer genannt.
    »Es gibt solche, die sagen, dass Ihr Prinz Henning mit allzu großer Milde begegnet«, kam der Kanzler ihm zu Hilfe, der einfach zu alt war, um noch ein Blatt vor den Mund zu nehmen.
    Otto nickte unverbindlich. »Ich weiß, Poppo.« Er dachte eine Weile nach. Schließlich sagte er: »Ich bin es allmählich satt, nach Lothringen zu eilen, weil mein Bruder und mein Schwager dort irgendwelche Ränke gegen mich schmieden, aber ich schätze, ich muss es trotzdem noch einmal tun, nicht wahr?«
    Die an der Tafel Versammelten nickten trübsinnig.
    »Aber vorher sende ich einen Boten zu meinem anderen Schwager.«
    »Hugo von Franzien? Was wollen wir von ihm?«, fragte Wichmann verwundert. Eine Spur unbehaglich, hätte man meinen können. Der streitbare Herzog von Franzien mit dem narbigen Gesicht flößte vielen

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