Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
Marzanen, nahm sie auf und machte einen von ihnen zu seinem Übersetzer für die Verhandlungen mit den sächsischen Besatzern. Dervan. Er ist ungefähr so alt wie Euer Bruder hier. Und trotz der Gefahr, die ihm hier droht, kam Dervan heute zurück.«
    Er berichtete – so ruhig und nüchtern, wie er vermochte –, was Dervan ihm erzählt hatte. Und als er zu Geros grauenvollem Verstoß gegen die altehrwürdigen Gesetze der Gastfreundschaft kam, legten der König und sein Bruder im selben Moment die Rechte vor den Mund und tauschten einen entsetzten Blick. Tugomir erkannte, dass er Widukind nicht hätte mit herbringen müssen. König Otto glaubte ihm auch so.
    Brun fand als Erster die Sprache wieder. »Jesus Christus, erbarme dich … Jetzt gibt es Krieg im Osten.«
    Tugomir richtete den Blick auf seinen unberührten Becher und nickte. Die Seen und Wiesen des Havellandes würden sich rot färben, und er fürchtete, dass es wieder einmal vor allem slawisches Blut sein würde, das sie tränkte. Denn der Zorn würde die Krieger seines Volkes ebenso leichtsinnig wie erbarmungslos machen.
    »Und du bist sicher, dass der Junge die Wahrheit sagt?«, fragte Otto. Es klang, als wolle er sich an einen rettenden Strohhalm klammern, und er hörte es vermutlich selbst.
    »Ich bin sicher«, antwortete Tugomir.
    »Warum?«, fragte Brun, mehr interessiert als herausfordernd.
    »Er hat sich die Pfeilwunde nicht selbst beigebracht. Und er ist bestimmt nicht ohne Not drei Tage und Nächte gelaufen, verwundet und ohne etwas zu essen.«
    »Davon abgesehen, welchen Grund könnte er haben, zurück über die Elbe zu kommen und zu riskieren, wieder in die Sklaverei zu geraten, wenn nicht den, Tugomir von diesem … Blutbad zu berichten«, warf Widukind ein.
    »Er sagt die Wahrheit«, wiederholte Tugomir, und etwas in seinem Tonfall beendete die Debatte.
    Einen Moment war es still, ehe Otto fragte: »Und dein Neffe? War er auch dort?«
    Tugomir schüttelte den Kopf. »Er hatte einen Cousin als Stellvertreter hingeschickt.«
    Der König stand von der Bank auf, trat langsam ans Fenster und blickte in den Regen hinaus. »Verdammt, Gero«, murmelte er. »Wie konntest du das tun?«
    »Mühelos«, antwortete Tugomir. »Gero wäre es am liebsten, wenn das slawische Volk nur eine einzige Kehle hätte, die er mit einem Streich durchschneiden könnte …« Er nahm sich zusammen und hinderte sich im letzten Moment daran, hinzuzufügen: Und trotzdem hast du ihn hingeschickt . Das führte ja zu nichts. Kein einziger der ermordeten Fürsten würde davon wieder zum Leben erweckt.
    »Womöglich habt Ihr recht, Prinz«, räumte Brun ein. »Aber abgesehen davon, dass es ein barbarischer Akt wider jedes Recht war, war es auch eine politische Dummheit. Ich hätte Gero nicht als einen Mann eingeschätzt, der politische Dummheiten begeht.«
    »Nein?«, konterte Tugomir scharf. »Vielleicht hättet Ihr nur einmal genauer hinschauen müssen. Dann wüsstet Ihr, dass er zu allem fähig ist, wenn er die Beherrschung verliert.«
    Der König hob abwehrend die Hand. »Wir wissen, wie es zwischen dir und Gero steht, Tugomir, und wir wissen auch, warum. Dein persönlicher Groll bringt uns hier keinen Schritt weiter.«
    Tugomir stand langsam auf. »Mein persönlicher Groll?«
    Widukind legte ihm warnend die Hand auf den Arm. »Tugomir …«
    Er schüttelte ihn ab. »Hier geht es nicht um Gero und mich. Es geht um die Zukunft meines Volkes ebenso wie Eures. Ihr müsst ihn zurückbeordern und die Mark einem besseren Mann geben.«
    »Sag mir nicht, was ich tun soll, Tugomir«, riet Otto.
    »Aber er ist ein Schlächter! Es wird keinen Tag Ruhe mehr im Osten geben, solange er dort ist. Jetzt werden sich auch die friedlichsten der slawischen Stämme erheben, denn sie werden wissen, dass man den Zusicherungen eines solchen Ungeheuers ohnehin nicht trauen kann. Wollt Ihr das? Wollt Ihr Monat für Monat neue Truppen über die Elbe schicken müssen, von denen kein einziger Mann nach Hause zurückkehrt?«
    Otto fuhr zu ihm herum. »Ich kann keine Truppen nach Osten schicken! Im Westen haben sich Henning, der Herzog von Lothringen und der König des Westfrankenreichs gegen mich verschworen. Das ist der Krieg, den ich jetzt führen muss. Und wenn es mir nicht gelingt, sie in die Knie zu zwingen – und zwar dieses Mal endgültig –, verliere ich nicht nur meine Krone, Tugomir, sondern dann zerfällt das Reich, das mein Vater geschaffen hat. Die deutschen Völker werden sich

Weitere Kostenlose Bücher