Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
zu Erich von Calbe und den anderen Adligen aus der Ostmark, die an der unteren linken Tafel saßen.
»Nehmt noch einen Pfannkuchen«, lud Otto seine Mutter ein. »Ostern ist nur einmal im Jahr.«
Sie nickte. »Warum nicht. Das ist ein schönes Hoffest, mein Sohn. Du und ich waren in den letzten Jahren nicht immer einer Meinung, aber ich bin eine Magd Christi und der Wahrheit verpflichtet, darum muss ich gestehen: Du hast deine Sache gut gemacht.«
Otto zog die Brauen in die Höhe – verwundert und argwöhnisch ob dieser ungewohnten Anerkennung – und bedeutete den Dienern, Mathildis’ Teller und Pokal aufzufüllen.
»Ja, es ist ein schönes Fest«, stimmte er ihr zu. »Nach so stürmischen Zeiten tut es gut, so viele vertraute Freunde hier versammelt zu sehen.«
Das Festmahl wurde ausgelassen. Am Spieß gebratene Ochsen wurden aufgetragen, frisches Weizenbrot, süße Mandel- und Honigkuchen, an der hohen Tafel gab es zusätzlich jede Menge Kleinwild in würzigen Saucen, und der Wein floss in Strömen.
Als die ersten der Gäste den Eindruck erweckten, als könnten sie womöglich in nächster Zeit ermattet von der Bank sinken, ließ der König sich den goldenen Becher füllen und erhob sich.
Geduldig wartete er, während Gespräche und Gelächter nach und nach versiegten. Als ihm schließlich alle Gesichter gespannt zugewandt waren, sagte er: »Freunde, Kampfgefährten und Ratgeber, habt Dank, dass Ihr alle nach Quedlinburg gekommen seid, um an diesem besonderen Ort, der Grablege meines Vaters, das Osterfest mit der Königin und mir zu feiern. Finstere Monate liegen hinter uns, Unrast, Verrat und Krieg. Ich will all denen meinen Dank aussprechen, die in dieser schweren Zeit an meiner Seite gestanden haben, und welcher Zeitpunkt könnte besser sein als dieser, um euch allen die Verlobung meines Sohnes, Prinz Liudolf, mit Ida, der Tochter Herzogs Hermann von Schwaben, zu verkünden.«
Tosender Beifall brandete auf, Becher wurden polternd auf Tischplatten geklopft und geleert.
Doch der König trank immer noch nicht. Er hielt den Becher weiterhin erhoben und fuhr fort: »Diejenigen unter euch, die auf der Seite der Verräter gestanden haben und heute dennoch den Weg hierher gefunden haben, sollen wissen: Euch ist vergeben.« Otto wandte sich langsam nach links. »Allen außer dir, Henning.« Den Blick auf seinen Bruder gerichtet, drehte er den Pokal in seiner Rechten um und goss den tiefroten Inhalt ins Bodenstroh.
Seine Mutter stieß einen kleinen Schreckenslaut aus und schlug die schmalen Hände vor Mund und Nase.
Henning kam langsam auf die Füße. »Was soll das heißen?«
Konrad, Hardwin und ein halbes Dutzend weiterer Panzerreiter, die hinter der hohen Tafel Wache gehalten hatten, traten einen Schritt vor. Sechs von ihnen bildeten einen Schutzschild um ihren König, zwei nahmen links und rechts von Henning Aufstellung.
»Was fällt euch ein?«, protestierte der Prinz wütend.
Otto sah zur rechten Seitentafel. »Fürst, Markgraf, wenn ihr so gut sein wollt?«
Die beiden Männer hatten reglos an ihren Plätzen gesessen und den einen oder anderen neugierigen Blick auf sich gezogen, weil sie die Gesichter im Schatten ihrer Kapuzen verbargen und weder am Essen noch am Wein Interesse zeigten. Als sie sich jetzt erhoben und die Kapuzen zurückwarfen, ging ein verwundertes Raunen durch die Halle, denn nie zuvor hatte man Fürst Tugomir vom Volk der Heveller und seinen Schwiegervater, Markgraf Gero, zusammen gesehen, ohne das nicht wenigstens einer von ihnen eine Waffe gegen den anderen gezückt hatte.
»Otto, was hat das zu bedeuten?«, fragte die Königinmutter, ihre Stimme diese Mischung aus Empörung und Furcht.
Der König sah kurz auf sie hinab, antwortete aber nicht.
Gero und Tugomir waren vor der hohen Tafel angelangt und neigten die Köpfe vor ihm. Ihre Bewegungen waren seltsam hölzern; man konnte sehen, wie sehr sie es hassten, hier Seite an Seite vor ihm zu stehen, und Otto wusste die Größe ihres Opfers zu schätzen. Ihre Feindschaft war tief und bitter und alt – nichts würde sie jemals überbrücken können. Dass sie dennoch gewillt waren, diese Feindschaft auch nur für einen Tag ruhen zu lassen, um sein – Ottos – Leben zu retten, hatte Editha zu Tränen gerührt.
Der König sprach zu seinem Bruder, als wären sie allein: »Letztlich verraten die Verräter sich immer selbst. Seit Monaten warst du so zahm und still, dass man manchmal kaum wusste, ob du bei Hofe warst oder nicht.
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