Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
in seiner Schläfe. Nur einmal und ganz knapp schüttelte er den Kopf.
»Dann sei verflucht und fahr zur Hölle!« brach es aus Tugomir hervor. »Das wird Gott dir nicht vergeben!«
Der zweite Priester steckte den Scheiterhaufen auf der anderen Seite in Brand.
Alveradis lag so still, als hätte sie diese Welt schon verlassen, und gab keinen Laut von sich. Aber das würde sie, wusste Tugomir.
Gero an seiner Seite regte sich, verschränkte die Hände auf dem Rücken, als wolle er Tugomir imitieren, und befahl seinem Cousin: »Ich hab’s mir anders überlegt. Binde ihn los, bring ihn rüber und lass ihn mit ihr und dem Balg brennen. Er trägt die Schuld an ihrem Schicksal, also soll er es auch teilen. Schnell, tu es, eh das Feuer zu hoch wird.«
Asik stellte sich hinter Tugomir und machte sich an den Knoten zu schaffen. »Alles voller Blut«, brummte er. »Das kriege ich nicht auf.«
Der junge Sachse reichte ihm ein Stück Seil. »Hier, leg ihm neue Fesseln an und dann zerschneide die alten.«
Das Feuer erklomm den ölgetränkten Scheiterhaufen rasch und hüllte ihn in Rauch. Palcik brüllte jetzt aus voller Kehle, ehe sein Geschrei in keuchendes Husten überging, aber die Flammen hatten ihn und seine Mutter noch nicht erreicht.
Die Priester hatten in sicherem Abstand Aufstellung um ihren Opferaltar genommen, wiegten sich rhythmisch und sangen wieder.
»Beeil dich, Asik!«, schnauzte Gero.
»Ja, Asik, beeil dich«, flüsterte Tugomir. »Bring mich zu ihnen und töte sie, eh sie brennen.«
Asik antwortete nicht. Endlich hatte er den Lederriemen von Tugomirs blutigen Handgelenken geschält, doch Tugomir spürte keine neuen Fesseln. Stattdessen fühlte er einen Messergriff in der Rechten, und dann hörte er Asiks Wispern gleich neben seinem Ohr: »Tu es selbst, Fürst.«
Tugomir war so überrascht und seine Knie so butterweich, dass er um ein Haar hingeschlagen wäre, als Asik ihm von hinten einen Stoß gegen die Schultern versetzte. Er taumelte vorwärts, dann rannte er, erreichte den Ring aus tanzenden Priestern, packte den ersten, dessen er habhaft wurde, von hinten am Gewand und schleuderte ihn mit Macht gegen den brennenden Opferaltar.
Der Priester landete mit dem Gesicht im Feuer und schrie. Seine berauschten Gefährten wichen zurück, blickten verwirrt um sich und blinzelten dümmlich wie Eulen im Sonnenschein.
In seinem Rücken hörte Tugomir Geros und Slawomirs wütende Protestschreie, aber er wandte sich nicht um. Er sprang auf den brennenden Scheiterhaufen, sah für einen Herzschlag in das von Angst und Schmerz gezeichnete Gesicht seiner Frau, beugte sich dann über ihre ausgestreckten Arme und durchschnitt die Stricke. »Halt den Jungen«, sagte er und hustete.
Alveradis schlang die Arme um ihr Kind und schrie auf.
Dicker, öliger Qualm hüllte sie ein. Durch eine Lücke sah Tugomir, dass Gero die Klinge gezogen hatte und ihm nachsetzte, aber Asik holte ihn ein und packte seinen Arm.
Die Flammen leckten an Alveradis’ Fuß. Tugomir hörte ein heiseres Schluchzen, das offenbar aus seiner eigenen Kehle kam, landete mit einem Satz am Fußende des Scheiterhaufens im Gras und griff in die Flammen, um auch die Fesseln an ihren Knöcheln zu durchtrennen. Dann hob er sie mitsamt dem Kind von ihrem feurigen Bett, lief ein paar Schritte bis in den Schatten der ersten Bäume und stellte sie auf die Füße. »Kannst du laufen?«
Sie nickte. »Wohin?«
Gute Frage. Sie waren eine Meile von der Burg entfernt mitten im Nirgendwo, und er hatte die Brandwunden an ihrem Fuß gesehen. Sie würde weder weit noch schnell laufen können. »Runter zum Fluss. Versteck dich in Ufernähe im Wald.«
Kaum war sie unter den Bäumen verschwunden, als eine Hand auf seine Schulter fiel und ihn herumschleuderte. Gero stand mit erhobenem Schwert vor ihm und sah ihm einen Moment ins Gesicht, seine Miene jetzt entspannt, beinah heiter. »Das wird dich nicht retten. Und sie auch nicht.«
Er hob die Klinge, um sie ihm ins Herz zu stoßen, doch als sie niederfuhr, traf sie auf eine zweite, die unerwartet von links in Tugomirs Blickfeld aufgetaucht war.
Mit einem Knurren fuhr Gero zu dem jungen Soldaten herum, der so plötzlich und unerklärlich zwischen ihn und seinen Feind gekommen war. Kaum weniger verwundert betrachtete Tugomir seinen Retter, der nicht älter als sechzehn oder siebzehn sein konnte, aber schon einen Stiernacken vorzuweisen hatte. Und mit einem Mal erkannte er ihn.
»Du bist … Udos Sohn.«
Der Junge
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