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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Schuld.«
    »Oh, ich weiß«, entgegnete der junge Mann mit einem geisterhaften Grinsen. »So viel kannst du gar nicht gutmachen …«
    »Kommt«, sagte der Fürst zu den Umstehenden. »Lasst uns auf die Burg zurückkehren und überlegen, wie es weitergehen soll. Die Nacht verrinnt, und ich muss bald aufbrechen.«
    »Du kannst nirgendwohin reiten«, widersprach Semela kategorisch. »Du hast Brandwunden an beiden Händen, du blutest am Kopf und siehst überhaupt ziemlich mitgenommen aus. Niemandem ist damit gedient, wenn du in Sichtweite der Elbe tot aus dem Sattel kippst. Und wenn du Slawomir und Tuglo jetzt auf die Burg zurückbringst, werden die Heveller sie in Stücke reißen. Dein Volk scheint doch ziemlich an seinem Fürsten zu hängen. Und an seiner Fürstin, ob du’s glaubst oder nicht.«
    Tugomir lächelte flüchtig. »Ich fürchte, wir haben uns missverstanden. Wenn ich sage, ›ich stehe in deiner Schuld‹, bedeutet das nicht, dass ich geneigt bin, deine Ratschläge anzuhören.«
    Semela holte tief Luft, um zu widersprechen, aber ehe er Gelegenheit dazu bekam, sagte Dragan: »Du kannst jetzt nicht hier weg, Fürst. Die Heveller werden verwirrt sein, wenn wir zwei der mächtigsten Priester in Fesseln auf die Burg bringen. Ich bin verwirrt. Du musst uns sagen, was passiert ist und was mit ihnen geschehen soll.«
    »Und mit diesem Drecksack hier«, fügte sein Zwillingsbruder hinzu, ruckte das Kinn in Geros Richtung und spuckte ihm vor die Füße.
    Tugomir wechselte einen langen Blick mit Gero. Fesselt ihn an einen Karren und legt ein Eisen ins Feuer , wollte er sagen. Lasst uns sehen, wie ihm gefällt, was er anderen zugedacht hat. Prügelt mit einer brennenden Fackel auf ihn ein. Hackt ihm Zunge, Arme und Beine ab …
    Gero las all das in seinen Augen, aber er senkte den Blick nicht. Vielleicht war das das Schlimmste an Markgraf Gero von Merseburg: Er empfand nicht einen Hauch von Scham für seine Gräueltaten.
    »Er wird mir im Tempel des Buchgottes einen Eid leisten und dann abziehen«, antwortete Tugomir seinem Vetter. »Oder er wird eine Hand verlieren und dann abziehen, das liegt ganz bei ihm. Aber wir müssen ihn laufen lassen.«
    »Warum?«, fragte Nekras verständnislos.
    »Weil er der Vater der Fürstin ist und ich das Blut ihrer Sippe nicht vergießen kann, sosehr er auch dazu einlädt. Und weil ich König Otto damit zu einem Krieg zwingen würde, den wir beide nicht führen wollen.« Noch einmal sah er Gero ins Gesicht. »Das bist du nicht wert.«

Quedlinburg, April 941
    Nach der feierlichen Ostermesse versammelte der Hof sich in der Halle der Pfalz. Die Vorfreude auf das festliche Mahl war den Gesichtern anzusehen: Nach vierzig langen Tagen ohne Fleisch, Butter und Eier, ohne Wein und Naschwerk war die Fastenzeit nun endlich vorüber, und heute durfte geschlemmt werden. Als ersten Gang trugen die Diener regelrechte Berge von Pfannkuchen mit Speck und jungen Frühlingskräutern auf. Den dampfenden Platten entstieg ein himmlisches Aroma, und ein vernehmliches »Ahh!« war an den Tafeln zu vernehmen.
    Der König schnitt sich ein unbescheidenes Dreieck aus dem Pfannkuchen auf seinem vergoldeten Teller, steckte es in den Mund, kaute, schluckte und seufzte glücklich.
    Editha betrachtete ihn schmunzelnd. »Ich werde es nie müde, dir beim Essen zuzuschauen, mein König«, gestand sie ihm. »Du tust es wie alle anderen Dinge: mit Hingabe und mit ganzem Herzen.«
    »Hm«, machte er zustimmend. »So soll es auch sein. Eine Krone zu tragen hat gelegentlich seine Schattenseiten. Also wieso nicht die schönen Dinge genießen, die sie einem beschert?«
    »Das ist wahr.« Sie reichte ihm einladend den Pokal, den sie teilten.
    Otto schüttelte den Kopf. »Später.«
    Beide ließen den Blick über die versammelte Festgemeinde schweifen. Alle, wirklich alle waren dieses Mal zum Hoffest gekommen, um dem König ihre Ergebenheit und Verbundenheit zu bezeugen: Berthold von Bayern mit einem beachtlichen Gefolge aus Bischöfen und Grafen. Hermann von Schwaben hatte seine Sippe und sein halbes Herzogtum mitgebracht. Otto von Verdun, der amtierende Herzog von Lothringen war gekommen, der junge König von Burgund, Wichmann und Hermann Billung, Bischöfe, Äbte und beinah der vollzählige sächsische Adel.
    Sogar Henning.
    Er saß mit seiner Frau zwischen der Königinmutter und Brun an der hohen Tafel, schnippelte als Einziger in der ganzen Halle lustlos mit dem Dolch an seinem Pfannkuchen herum und sah allenthalben

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