Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
Ich gestehe, das hat mich argwöhnisch gestimmt. Deswegen habe ich die besten und verlässlichsten meiner Panzerreiter gebeten, während dieses Hoffestes nicht von meiner Seite zu weichen, und wäre es nicht so traurig, hätte man fast amüsiert sein können über deinen unverkennbaren Zorn, dass es deinen Mordbuben einfach nicht gelingen wollte, mich allein anzutreffen. Ich fürchte, du warst reichlich plump.«
»Welche Mordbuben?«, fragte Henning aufgebracht, aber seine Stimme war belegt, und er war rot angelaufen. »Wovon zum Henker redet Ihr da?«
»Letzte Nacht weckte mich die Wache und berichtete mir, was ich anfangs kaum glauben konnte: Markgraf Gero und Fürst Tugomir seien eingetroffen, um mir etwas von großer Wichtigkeit zu berichten. Und es stimmte. Seite an Seite standen sie vor mir, so wie jetzt. Tugomir hatte von einem hevellischen Priester erfahren, dass du meine Ermordung während dieses Osterfestes planst, Henning. Du hattest ihm den Fürstenthron versprochen, aber Tugomir wusste nicht, welche Gegenleistung du wolltest. Das wiederum wusste Gero. Als er Tugomirs Geschichte hörte, verstand er, was du letzten Sommer in Meißen gesucht hast: Verbündete für dein Komplott. Unzufriedene unter dem Adel der Ostmark, die mehr Land und Silber wollten, als ihre Besitzungen ihnen eingebracht haben. Der neue Fürst der Heveller sollte den Bischof von Brandenburg aus dem Weg räumen – deinen Cousin Widukind, Henning – und sollte das Havelland zwischen sich und deinen … Freunden aufteilen, sobald auch ich, dein Bruder , aus dem Weg geräumt bin und du die Krone trägst.« Er unterbrach sich, legte die rechte Hand um die linke Faust und drückte zu, bis er sicher sein konnte, seine Stimme wieder unter Kontrolle zu haben. »Nenn mir einen einzigen Grund, warum ich dir dieses Mal das Henkersschwert ersparen sollte.«
Hennings Gesicht, eben noch so leuchtend rot wie das eines ertappten Lausebengels, war mit einem Mal fahl. Der Prinz öffnete die Lippen, aber es dauerte einen Moment, ehe er herausbrachte: »Und das glaubt Ihr? Ohne jeden Beweis glaubt Ihr eine so hanebüchene Lügengeschichte?«
Otto sah zu Hennings Frau. Judith saß ganz still und mit gesenktem Kopf an ihrem Platz, und Tränen tropften in den Rock ihres kostbaren blauen Kleides. Sie wusste es , erkannte er. Er sah weiter zu seiner Mutter, die ganz im Gegensatz zu ihrer Schwiegertochter mit hoch erhobenem Haupt an der Tafel saß, wie das Standbild einer stolzen, würdevollen Königin. Als sie seinen Blick spürte, presste sie die Lippen zusammen, schaute ihn aber nicht an. Wie so oft wurde er nicht klug aus ihr. Er konnte nicht entscheiden, ob sie auch in dieser Intrige Hennings Komplizin gewesen war oder nicht.
»Ich habe Beweise, Henning«, antwortete der König. »Weil es deinen Mitverschwörern nicht gelang, mir nahe genug zu kommen, um mich mit dem Schwert zu töten, hast du einem von ihnen gestern Abend befohlen, Pimpernell in den burgundischen Wein für die hohe Tafel zu mischen, damit der Wein mich vergiftet. Einer von deinen daleminzischen Sklaven hat es gehört und Fürst Tugomir berichtet. Der Krug ist noch voll, ich bin zuversichtlich, unser Kellermeister kann das Aroma von Pimpernell feststellen. Und natürlich können wir deinen Komplizen bitten, uns die Wahrheit zu sagen. Ist es nicht so, Erich von Calbe?«
Der junge Graf stand von seinem Platz an der Seitentafel auf. Er sah zu den beiden Panzerreitern, die mit blanken Schwertern auf ihn zu kamen, und erwiderte Ottos Blick dann voller Trotz. »Dafür müsstet Ihr mich lebend bekommen.« Er zog die Klinge.
Seine Sitznachbarn sprangen von den Bänken und machten eilig Platz.
Weil Erich von Calbe seine Ehre verloren hatte, stand ein ehrenvoller Kampf ihm nicht zu, und die beiden jungen Edelleute griffen ihn gleichzeitig an. Schweigend, mit ernsten Mienen verfolgte der Hof den Kampf, und das Klirren von Klinge auf Klinge war laut in der stillen Halle.
Editha, Liudolf und Liudgard hatten sich ebenfalls erhoben. Die Königin legte ihrer Tochter eine Hand auf die Schulter, machte aber keine Anstalten, ihr die Augen zuzuhalten. Und sie hatte recht, wusste Otto. Seine Tochter musste dies hier ebenso sehen wie sein Sohn.
Erich von Calbe war ein erfahrener und gefährlicher Fechter und schlug sich tapfer, aber gegen zwei hatte er keine Chance. Sein Gegner auf der linken Seite stieß ihm die Klinge in den Oberschenkel, der so wasserfallartig blutete, dass jeder wusste: Die
Weitere Kostenlose Bücher