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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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dort über Land reisten, wurde es heiß, und ich habe jeden Tag mindestens ein Pfund Staub geschluckt. Und wozu? Schaut Euch das an, Prinz Thankmar. Ich hätte mir die Mühe sparen und zu Hause bleiben können.« Doch sie klang eher amüsiert als verbittert.
    »Das wäre ein großer Verlust für uns gewesen«, erwiderte Thankmar.
    Otto hatte schon gelegentlich beobachtet, dass sein Bruder eine Art hatte, eine Frau so anzuschauen, als stünde sie splitternackt vor ihm, aber dieser Blick schien den Damen nie etwas auszumachen. Vielleicht weil er immer echte Bewunderung ausdrückte. Oder weil er so entwaffnend aufrichtig in seiner Lüsternheit war.
    Während Editha sich zu ihrer Schwester setzte, machte Mathildis die Prinzessinnen mit den übrigen an der Tafel Versammelten bekannt: Poppo, dem alten Kanzler, ihren jüngeren Kindern Hadwig und Henning – Brun, ihr Jüngster, sei noch zu klein, um an der Tafel zu speisen, erklärte sie –, des Königs Unterkämmerer und schließlich Schwester Bertha, einer adligen Nonne, die Mathildis’ Verwandte und Hadwigs Lehrerin war.
    »Wir sind bedauerlicherweise nur ein kleiner Kreis, um euch zu empfangen«, entschuldigte sich die Königin. »Ausgerechnet heute erreichten uns beunruhigende Nachrichten aus dem Osten, und der König hat sich mit seinen Ratgebern und Kommandanten zurückgezogen. Er wird zu uns stoßen, sobald er kann.«
    »Die Belange des Reiches gehen vor«, sagten die Schwestern im Chor – offenbar unbeabsichtigt, denn sie tauschten einen verblüfften Blick und hatten sichtlich Mühe, ein Kichern zu unterdrücken.
    Diener kamen herein, trugen Spanferkel, weißes Brot und Schalen mit Beeren auf, die so reif und süß waren, dass sie auf der Zunge zergingen. Ottos Nervosität ließ ein wenig nach. Es war eine üppig gedeckte Tafel, derer man sich wahrhaftig nicht zu schämen brauchte, fand er. Die Platten und Trinkpokale aus Gold und Silber waren auf Hochglanz poliert worden und funkelten im Kerzenlicht. Der Becher der Königin war mit Edelsteinen verziert, genau wie der, den die Prinzessinnen teilten.
    Bischof Bernhard sprach den Segen, und dann langten alle zu. Editha hatte vornehme Tischmanieren, beobachtete der Prinz. Sie schnitt kleine Fleischstücke mit dem Messer ab und führte sie mit Daumen und Zeigefinger zum Mund. Sie schien den Becher seltener zu heben als Egvina, die vermutlich mehr trank, als sie selbst merkte, weil sie so angeregt mit Thankmar plauderte.
    »Aus den Worten Eurer Schwester schließe ich, dass Eure Reise abscheulich war?«, fragte Otto Editha.
    »Überhaupt nicht«, entgegnete sie. »Eure Straßen sind nicht schlechter als die unseren daheim, und vermutlich sicherer. Wir hatten natürlich eine starke Eskorte, die Wegelagerer abgeschreckt haben mag, aber wir haben keinen einzigen finsteren Gesellen gesehen.«
    »Aber es gibt sie hier zur Genüge, seid versichert«, warf er trocken ein.
    »Die Klöster, in denen wir Halt machten, haben uns immer großzügig bewirtet. Überhaupt wurde uns viel Freundlichkeit erwiesen. Und überall waren die Bauern bei der Ernte. Das ist meine liebste Jahreszeit«, gestand sie. »Wenn das Ergebnis harter Arbeit und göttlichen Segens offenbar wird.«
    Meine auch, dachte Otto. »Und findet Ihr unser Land sehr verschieden von Eurer Heimat?«
    Prinzessin Editha überlegte einen Moment. »Nein«, sagte sie schließlich zögernd. »Das Licht zu Hause ist anders, und die Luft schmeckt ein wenig anders. Aber auch bei uns gibt es Hügel und Heide und Moore und Wälder und Wälder und Wälder.«
    Er lachte. Dann wirst du zumindest in der Hinsicht nichts vermissen, wenn wir heiraten, fuhr es ihm durch den Kopf.
    »Um Euch die Wahrheit zu sagen, Prinz Otto, ich war ein wenig neidisch, als ich durch Euer Heimatland geritten bin. Mein armes Wessex – eigentlich das ganze angelsächsische Land – ist vom langen Krieg gegen die Nordmänner gezeichnet, und es gibt überall viel Not und Elend. Mein Großvater Alfred, den sie den Großen nennen, hat immer gesagt, die wichtigste Aufgabe eines Königs sei, das Leben seines Volkes besser und sicherer zu machen. Und er hat alles für dieses Ziel getan. Aber irgendwie …« Sie brach plötzlich ab und sah ihn unsicher an. »Vergebt mir. Es gehört sich nicht für eine Frau, über solche Dinge zu reden.«
    »Doch, bitte«, widersprach er impulsiv. »Erzählt mir mehr von Eurem Land. Und von Eurem Großvater.«
    Bald hatten sie ihre Teller wie auch die restliche Tafel

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