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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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einer Lederschnur. Tugomir stand still wie ein Baum, sah Gero unverwandt an, und sein Gesicht gab überhaupt nichts preis.
    Dragomira versuchte, sich ein Beispiel an ihm zu nehmen. »Was hat das zu bedeuten, Gero?«, fragte sie streng.
    Der Angesprochene gab vor, sie nicht gehört zu haben, legte ihrem Bruder mit einem kleinen Lächeln die Hand auf die Schulter und stieß ihm das Knie in den Unterleib. Tugomir stöhnte und sackte in sich zusammen, aber er fiel nicht hin, weil sie ihn immer noch an den Armen gepackt hielten.
    »Kleiner Vorgeschmack, edler Prinz«, knurrte Gero. Er packte Tugomir bei den Haaren, riss seinen Kopf hoch und schlug ihm die Faust ins Gesicht. »Eure nördlichen Nachbarn, die Redarier, haben sich gegen den König erhoben, unsere Festung in Walsleben genommen und die gesamte Besatzung niedergemetzelt, auch Frauen und Kinder.«
    »Das sollte dich nicht wundern nach dem, was ihr den Daleminzern angetan habt«, zischte Tugomir mit zusammengebissenen Zähnen.
    Gero schlug ihn noch einmal. »Jetzt rate, wer sich dem Aufstand der Redarier angeschlossen hat.« Er machte eine Pause und wartete offenbar darauf, dass Tugomirs Gesicht Furcht oder Entsetzen widerspiegelte, aber er wartete vergebens. Gero zückte sein Messer und setzte es ihm an die Kehle, die andere Hand immer noch in den dunklen Schopf gekrallt. »Dein Vater kann wohl besser auf dich verzichten, als du gehofft hast. Oder vielleicht seid ihr Slawen auch einfach wie die Köter, und euren Vätern ist gleich, was mit ihren Welpen passiert. Jedenfalls ist es an der Zeit, das Versprechen einzulösen, das der König deinem Vater gegeben hat …«
    »Halt«, befahl Dragomira, und sie war verblüfft, wie fest ihre Stimme klang. Dabei zitterten ihr in Wahrheit die Knie, und sie spürte einen beinah übermächtigen Druck auf der Blase. »Das könnt Ihr nicht tun. Ich verlange …«
    Weiter kam sie nicht, denn Gero hatte ihren Bruder losgelassen, fuhr zu ihr herum, und seine große Faust traf sie halb am Jochbein, halb an der Schläfe. Dragomira verlor das Gleichgewicht und fiel. Sie schaffte es noch, den Sturz mit den Händen abzufangen, um ihr Kind zu schützen, aber sie war benommen.
    »Du hast hier überhaupt nichts mehr zu verlangen, du kleine Schlampe.« Geros Stimme über ihr hallte eigenartig. Dann wurde auch Dragomira links und rechts an den Armen gepackt und auf die Füße gestellt.
    Gero legte die Linke in ihren Nacken, packte sie bei den Haaren, presste plötzlich die Lippen auf ihre und versuchte, ihr die Zunge in den Mund zu rammen. Dragomira schlug die Zähne in seine Unterlippe, sodass Gero mit einem unterdrückten Laut zurücksprang. Er strich sich mit der Linken über die Lippen, starrte einen Moment ungläubig auf das Blut an seinen Fingern und murmelte dann: »Na warte, du Luder …«
    Er packte sie am Arm und hob die Faust, als ausgerechnet der stiernackige Udo, der sie nach dem Fall der Brandenburg um ein Haar vergewaltigt hätte, einschritt: »Ich glaube nicht, dass Ihr das wirklich tun wollt, Herr«, mahnte er – respektvoll, aber nicht unterwürfig. »Was immer sie ist, sie trägt Prinz Ottos Kind.«
    Dragomira sah ihn gehetzt an und war verwundert, dass er einen verstohlenen Blick mit ihrem Bruder tauschte, seine Miene beschämt.
    Gero stieß hörbar die Luft aus. »Weiser Udo«, sagte er dann. »Du hast vermutlich recht. Und weil du anscheinend so erpicht darauf bist, sie zu beschützen, darfst du sie begleiten.« Er nahm Dragomiras Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und schenkte ihr ein schauderhaftes, hasserfülltes Lächeln. »Sag Lebwohl zu deinem Bruder, schönes Kind.«
    »Die Prinzessinnen von Wessex«, verkündete der junge Bischof Cenwald von Worcester, und es klang ebenso feierlich wie angriffslustig. »Töchter des ruhmreichen Königs Edward, Schwestern des ebenso ruhmreichen Königs Athelstan, Nachkommen des heiligen Märtyrers Oswald: Editha und Egvina von Wessex!«
    »Ach du Schreck. Das klingt ja fast gleich«, raunte Thankmar seinem Bruder zu. »Hoffentlich sehen sie nicht auch noch gleich aus, sonst wirst du alt und grau, eh du deine Wahl getroffen hast.«
    »Still!«, zischte Königin Mathildis. Dann antwortete sie dem Gast: »Es ist uns eine Ehre, Bischof Cenwald.«
    Otto beneidete seine Mutter um ihre würdevolle Gelassenheit. Er selbst spürte das Herz in der Kehle pochen.
    Der angelsächsische Bischof in den eleganten Gewändern nickte dem Mönch zu, der ihn begleitete. Dieser trat an die Tür

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