Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
Bewusstsein verloren hatte, und fast berührten seine Knie den Boden. Jetzt stellte er die Füße ins Gras und richtete sich wieder auf. Augenblicklich spürte er tausende kleine Nadelstiche in Armen und Schultern, die sein ganzes Gewicht getragen hatten. Er hob langsam den Kopf und war erstaunt, wie viel Mühe ihn das kostete.
Gero stand einen Schritt von ihm entfernt und reichte einem seiner Männer den leeren Eimer. Zu Tugomir sagte er: »Da bist du ja wieder, alter Freund«, und schlug ihm im selben Moment mit dem Handrücken ins Gesicht, sodass Tugomirs Kopf krachend gegen die Sprossen des Leiterwagens flog.
Sein Mund füllte sich mit Blut. Tugomir würgte es herunter. Ja, da bin ich wieder .
»Wie steht es, edler Prinz?«, fragte Gero. »Soll ich weitermachen? Ich kann genauso gut aufhören, weißt du. Du musst mich nur darum bitten.«
Tugomir schloss einen Moment die Augen, und sofort verschlimmerte sich der Schwindel. Er fühlte sich erschöpfter als je zuvor in seinem Leben, und seine Erschöpfung verschwor sich mit dem Schmerz und machte ihn schwach. Er wusste, er war bald so weit. Früher oder später würde er ihn bitten. Aber vielleicht noch nicht jetzt gleich …
»Gib Antwort. Das Eisen ist gleich wieder heiß.«
Tugomir kannte dieses Spiel, denn auch Bolilut hatte sich gelegentlich darin geübt. Nicht auf so drastische Weise, aber das Prinzip war das gleiche: Ich tu dir weh und demütige dich. Bis du dich selbst weiter erniedrigst, als ich es je könnte, indem du mich anflehst. Lass uns sehen, wie lange du durchhältst, Brüderchen … Bolilut hatte nie gewonnen, weil er letztlich dann doch nicht bereit gewesen war, so weit zu gehen, wie nötig gewesen wäre. Aber Gero würde gewinnen.
»Wo ist meine Schwester?«, fragte Tugomir. Er war erschrocken, wie brüchig seine Stimme klang.
»Im Augenblick geht es nicht um deine liebreizende Schwester, sondern um dich«, entgegnete Gero und strich fast zärtlich mit den Fingerspitzen über die obere Brandwunde.
Tugomir biss die Zähne zusammen, aber er stöhnte trotzdem.
»Also? Willst du mich jetzt bitten oder nicht?«
Tugomir hätte gerne gewusst, warum Gero ihn so hasste. Nicht, dass es besonders wichtig war, aber er rätselte, weshalb es eine so persönliche Sache war. Ihn zu fragen, hätte Gero indessen mehr Macht in die Hände gegeben, als er ohnehin schon hatte, also blieb Tugomir stumm.
»Scheint, er hat noch nicht genug«, bemerkte ein Soldat in der vorderen Reihe, der einen Helm mit einer geborstenen Spange trug. »Vielleicht überlegt er’s sich anders, wenn Ihr ihm die Eier röstet, Herr.«
Es gab Gelächter. Vor allem die dürre Küchenmagd weiter links schien die Vorstellung zu erheitern.
Gero nahm ein dickes Stück Leder in die Linke, um die Hand vor der Hitze zu schützen, und holte damit das Eisen aus dem Feuer. Gemächlich trat er damit auf Tugomir zu und hob die glühende Spitze, als wolle er sie prüfend in Augenschein nehmen. »Die Idee klingt nicht übel. Was denkst du? Soll ich deinen Sackratten Feuer unterm Hintern machen?«
Dieses Mal wollte das grölende Gelächter gar nicht mehr versiegen.
Tugomir wich die zwei Zoll zurück, die seine Fesseln zuließen, und das hölzerne Gefährt knarrte müde, als er mit dem Rücken dagegenstieß. Der Schwindel war schlimmer geworden, und er wusste, er war im Begriff, wieder die Besinnung zu verlieren – dieses Mal vor Entsetzen. Er starrte auf das unförmige, längliche Eisen, das in der Mitte rötlich und an den Rändern weiß glühte, und erkannte, dass Gero gewonnen hatte. Noch einmal schluckte er Blut herunter, doch ehe er auch nur ein Wort herausgebracht hatte, legte sich eine Hand auf Geros Unterarm.
»Sei so gut und warte einen Augenblick, Vetter.«
Gero fuhr herum und verneigte sich dann. »Prinz Thankmar …«
Der Prinz ließ den Blick geruhsam über die bizarre Szene schweifen und befahl den Schaulustigen dann: »Lasst mir eine der Fackeln hier und verschwindet. Zwei Wachen bleiben in der Nähe. Wartet dort drüben am Brunnen.«
Niemand zögerte.
Der mit dem geborstenen Helm drückte seine Fackel Thankmars Begleiter in die Hand, und erst jetzt erkannte Tugomir Bruder Waldered.
Thankmar wartete, bis die kleine Wiese vor der Schmiede sich geleert hatte. Dann wies er auf Tugomir und fragte Gero: »Hat der König befohlen, ihn zu töten?«
Der junge Kommandant schüttelte unbekümmert den Kopf. »Dazu ist er noch nicht gekommen, schätze ich. Aber dem König
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