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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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sündige Gedanken, sodass ein Teil von ihm – ein ganz bestimmter Teil von ihm – wünschte, Dragomira wäre nicht fort und er könnte seine sündigen Gedanken mit ihr in die Tat umsetzen. Er begehrte Editha und sehnte den Tag ihrer Hochzeit ungeduldig herbei. Aber er empfand auch ein klein wenig Ehrfurcht vor ihr. Sie war drei Jahre älter als er und viel klüger, fürchtete Otto. Sie wusste die erstaunlichsten Dinge. Mit Bischof Bernhard hatte sie über die Schrift eines gewissen Boethius gesprochen – während Otto dabeisaß und kaum ein Wort verstand –, und der Bischof hatte sich von ihrer Verständigkeit und Frömmigkeit beeindruckt gezeigt. Aber sie schnitt niemals auf, im Gegenteil, sie schien lieber anderen zu lauschen als selber zu reden, was sogar seine Mutter für Editha eingenommen hatte.
    Die Augen seiner Braut strahlten. »Ich bin an der Reihe? Ist das auch wirklich wahr? Oder flunkerst du, damit ich eher zu meinem Vergnügen komme, als mir zusteht?«
    »Nein, er hat recht«, warf Thankmar ein. »Ehrenwort.«
    »Trödel nicht, da, der Hund steht vor«, drängte Egvina ihre Schwester, und auch ihre Augen leuchteten vor Erregung.
    Sie waren nur eine kleine Jagdgesellschaft: die beiden Prinzen und Prinzessinnen, Gero und sein junger Cousin Asik, der erst diesen Sommer aus dem heimatlichen Merseburg an den Hof gekommen war. Mit Falknern, Hundeführern und Dienern tummelte sich ein gutes Dutzend Menschen am Saum des Waldes, der allmählich begann, sich in herbstliche Rot- und Goldtöne zu kleiden. Vor ihnen erstreckte sich eine satte Wiese mit hohem Gras, hier und da von ein paar Büschen betupft, und etwa in ihrer Mitte lag ein stiller, schilfgesäumter Weiher. Dort war der Hund stehen geblieben.
    Editha nahm dem hübschen Falken die Haube ab, gab ihm einen Moment, sich zu orientieren, und ließ ihn dann steigen. Sie verfolgte seinen Flug mit konzentrierter Miene, und als er in ausreichender Höhe über ihr stand, nickte sie dem Hundeführer zu.
    Auf dessen knappen Befehl, der fast wie ein Bellen klang, sprang der Hund ein, schien ins Schilf zu tauchen, und im nächsten Moment brach der aufgescheuchte Fasan unter vernehmlichem Protest und unbeholfenem Geflatter aus der Deckung hervor.
    Der Falke legte die Schwingen an den Körper und ging in den Sturzflug – schneller als ein Pfeil, so schien es. Schon fast auf einer Höhe mit der Beute breitete er die Flügel wieder aus und schlug den chancenlosen Fasan.
    Prinzessin Editha atmete tief durch. »Ein wunderbar abgerichteter Vogel, Otto.«
    Er lächelte, die Hände auf dem Sattelknauf verschränkt, und sagte nichts.
    Editha war schon im Begriff, sich wieder Vogel und Beute zuzuwenden, als sie ihren Bräutigam noch einmal genau anschaute. »Bist du nicht wohl?«
    Otto war erschrocken und richtete sich auf. Er tat verwundert. »Wie kommst du denn darauf?«
    Der Falke kehrte auf Edithas Unterarm zurück, und statt sein Gefieder zu streicheln – was so viele Damen taten, obwohl die wenigsten Vögel es schätzten –, gab sie ihm die Belohnung, die er wollte: seine Atzung , ein Stückchen rohes Fleisch.
    Otto hätte sich an ihr ergötzen können – an der unaufdringlichen Vornehmheit, die sich in jeder Geste ebenso zeigte wie in der Mühelosigkeit, mit der sie diesen edlen Zeitvertreib beherrschte – wenn ihm nur nicht so elend gewesen wäre. Er hatte es schon gespürt, als er aufgewacht war: dieses brennende Jucken an Armen und Beinen. Damit fing es immer an. Während der Frühmesse waren Hals- und Kopfschmerzen dazugekommen. Auch die waren nichts Neues. Beim Frühstück in der Halle hatte er keinen Bissen heruntergebracht, aber zum Glück hatte es niemand bemerkt, denn alle waren voller Vorfreude auf die Falkenjagd gewesen. Inzwischen bereitete ihm das Atmen Mühe, und das erschreckte ihn, denn das kannte er noch nicht.
    »Wollen wir …« Er musste sich räuspern. »Wollen wir ein Stück um den Weiher herumreiten? Auf der anderen Seite gibt es immer viele Rebhühner.«
    »Oh ja«, stimmte Edithas Schwester zu. »Ich liebe Rebhuhnbraten. Komm, Thankmar. Wer zuerst an dem Schlehenbusch dort drüben ist!«
    Egvina riss ihr Pferd herum und preschte davon. Thankmar nahm die Verfolgung auf und rief empört: »Was war mit dem Startzeichen, edle Königstochter?«
    Editha lachte leise und schaute ihnen nach. »Sie verstehen sich gut«, bemerkte sie.
    »Ja«, stimmte Otto zu. »Vielleicht ist es sogar ein bisschen mehr als das, hm? Ich habe meinen

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