Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
auf das dämmrige Licht im Innern des Grubenhäuschens eingestellt hatten, dann sah er sich kurz um. »Ein gut gefülltes Kräuterlager«, bemerkte er und wies auf die Bündel, die kopfüber zum Trocknen unter dem niedrigen Strohdach hingen. »Sie duften gut.«
»Nicht alle«, schränkte Tugomir ein und stellte den Mörser auf den festgestampften Boden. Wie es aussah, sollte er noch ein wenig länger warten müssen, bis er seine Wunden versorgen konnte.
Bruder Waldered setzte sich neben Semela auf die Erde, streckte die Beine vor sich aus und kreuzte die Füße in den staubigen Sandalen. »Eure Schwester ist wohlauf«, eröffnete er Tugomir unvermittelt. »Sie ist sehr weit fort von hier, aber in Sicherheit.«
»Wo?«
»In einem Kanonissenstift an der Weser.«
»Einem was?«
Waldered vollführte eine unbestimmte Geste. »Eine Lebensgemeinschaft frommer, adliger Frauen. Sie leben so ähnlich wie die Mönche in ihren Klöstern, aber sie legen keine Gelübde ab. Die vornehmen Damen, die Vermögen mit ins Stift bringen, können selbst darüber verfügen. Und Dienerschaft unterhalten.« Er überlegte kurz und schloss dann: »Es ist ein Ort, wohin man Witwen oder überzählige Töchter oder andere Damen schickt, mit denen man sonst nichts anzufangen weiß.«
Tugomir nickte wortlos. Er nahm an, er würde Dragomira nie wiedersehen, und der Gedanke machte ihm zu schaffen. Aber er war auch erleichtert. »Ich hätte nicht gedacht, dass die Königin sich die Mühe macht, sie in diesen Frauentempel schaffen zu lassen, statt einfach den Befehl zu geben, sie zu töten und nachts in den Fluss zu werfen«, bemerkte er.
Bruder Waldered war schockiert. »Das würde Königin Mathildis niemals tun!«
Nach allem, was Tugomir gehört hatte, war Königin Mathildis noch ganz anderer Dinge fähig, aber er ließ das Thema fallen, denn er sah, dass Bruder Waldered noch mehr auf dem Herzen hatte. »Das war die gute Nachricht, nehme ich an. Lasst uns die schlechte auch hören, Bruder.«
Waldered nickte bedrückt. »Die Schlacht ist geschlagen. Graf Bernhard und Graf Thietmar und die Panzerreiter haben einen großen Sieg über die Barba… slawischen Stämme errungen.«
Semela zog scharf die Luft ein und schlug die Hände vor Mund und Nase.
Tugomir ließ den Mönch nicht aus den Augen und forderte ihn mit einer Geste auf fortzufahren.
»Fünf Tage hatten sie die slawische Burg Lenzen belagert, als die Späher die Nachricht brachten, dass ein großes slawisches Heer anrückte. Graf Bernhard befahl seinen Reitersoldaten, sich die ganze Nacht hindurch bereitzuhalten. Es regnete unablässig, die Wachfeuer erloschen, aber nichts geschah in dieser Nacht. Am nächsten Morgen kehrte die Sonne zurück, doch die Späher berichteten, dass die slawischen Fußsoldaten in der aufgeweichten Erde kaum vorwärtskamen. Da führte Graf Bernhard seine Reiterscharen zum Angriff, und sie stießen wie Schwerter in die Flanken der Feinde. Euer Heer hat mit großer Tapferkeit gekämpft, Prinz Tugomir. Aber Gott war mit Bernhard und seinen Panzerreitern. Als die Slawen sahen, dass ihre Sache verloren war und sie aufgerieben wurden, wollten sie sich in die Burg zurückziehen. Aber Thietmar schnitt ihnen den Weg ab.«
Graf Thietmar. Geros Vater. König Heinrichs treuester Freund und Kampfgefährte. Tugomir hatte mit einem Mal Mühe zu atmen. »Keiner hat die Burg lebend erreicht, nehme ich an.«
Waldered schüttelte den Kopf. »Diejenigen, die Thietmar nicht in die Klinge liefen, stürzten in den See und ertranken.« Er sah Tugomir kurz ins Gesicht und entschied offenbar, dass er ihm den Rest auch noch sagen konnte: »Die Burg ergab sich am nächsten Morgen. Frauen, Kinder, Unfreie, Vieh und so weiter wurden als Beute genommen, die Männer zu den Gefangenen gebracht.« Er hob kurz beide Hände. »Der Aufstand der Redarier und ihrer Verbündeten ist niedergeschlagen. Euer Volk muss lernen, sich dem König zu unterwerfen, Tugomir, oder untergehen.«
»Tja«, machte Tugomir scheinbar gelassen und fuhr sich mit dem Handrücken über die klamme Stirn. »Ich schätze, dann wird es untergehen.«
Es war einen Moment still. Schließlich sagte der Mönch zaghaft: »Zumindest heißt es, dass Ihr weiterleben werdet.«
Der Hevellerprinz nickte. »Fürs Erste.«
»Vielleicht hat Gott es so gefügt, damit Ihr Gelegenheit bekommt, zu erkennen, dass er der einzig wahre Gott ist.«
»Wenn es so ist, kann ich nicht gerade behaupten, dass seine Fügung mich sonderlich für
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