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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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wissen, ob du meinen Bruder hättest retten können oder nicht.«
    Tugomir runzelte die Stirn und verzog den Mund, als sei er mäßig amüsiert. Aber nur mäßig.
    Thankmar stand mit baumelnden Armen vor ihm und wartete. Er konnte nichts anderes mehr sagen oder tun. All seine Pfeile waren verschossen.
    »Denkst du, es ist etwas, das er gegessen oder getrunken hat?«, fragte Tugomir schließlich.
    Der sächsische Prinz zuckte die Achseln. »Ich nehme es an. Ich war eigentlich auf dem Weg in die Küche, um das herauszufinden. Die Königin wünscht, dass ich die Füße des Kochs ins Feuer halte, bis er es uns sagt.«
    Tugomir erhob sich ohne Eile. »Dann lass dich nicht aufhalten. Der Koch hat nichts Besseres verdient. Ich seh mir derweil deinen Bruder an.«
    Doch wie er geahnt hatte, folgte Prinz Thankmar ihm zurück zum Zentrum der Pfalz. Wortlos umrundeten sie die große Halle und gelangten auf der Rückseite zu dem überdachten Gang, an welchem die Wohngemächer sich aufreihten.
    Vor einer der Türen stand eine junge Frau mit wundervollen dunkelgrauen Augen. Sie war bleich, aber gefasst. Sie blickte von Tugomir zu Thankmar. »Wer ist das?«
    »Unsere slawische Geisel. Prinz Tugomir. Er ist heilkundig, hat mir der Falkner erzählt, und da der Leibarzt des Königs ratlos zu sein scheint, dachte ich, es kann nicht schaden, wenn …«
    Die junge Frau neigte höflich den Kopf. »Der Herr segne Euch, Prinz Tugomir«, sagte sie, und eine Träne lief über ihre Wange. »Möge er Eure Hand führen.«
    Tugomir wandte sich ab. Die angelsächsische Prinzessin, nahm er an. Aber Mitgefühl für Ottos Braut war wirklich das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte.
    Er betrat das Gemach des Prinzen und blieb einen Moment an der Tür stehen, bis seine Augen sich auf das Dämmerlicht eingestellt hatten. Der Laden war geschlossen, und nur zwei Öllämpchen erhellten den Raum, eines auf dem Tisch, das andere hielt der dicke Mann in der Linken, der sich über das Bett beugte. Er trug ein dunkles, mit einer Kordel gegürtetes Gewand wie Bruder Waldered und hatte ein kreisrundes Loch in den Schopf geschoren – ein Mönch, schloss Tugomir.
    Königin Mathildis war die Erste, die den Schatten an der Tür entdeckte. »Was hat er hier verloren, Thankmar?«, fragte sie voller Argwohn.
    Doch ehe ihr Stiefsohn zu einer Erklärung ansetzen konnte, legte der König ihr eine seiner großen Pranken auf den Arm und sagte: »Schon gut, Mathildis. Thankmar hat recht getan. Der slawische Prinz ist ein Heiler, hat mir der Stallmeister erzählt.« Einladend winkte er Tugomir näher. »Komm, mein Junge, schnell. Sag uns, ob du irgendetwas tun kannst.«
    Tugomir rührte sich nicht und ließ ihn nicht aus den Augen. »Ich sehe keine Veranlassung, auch nur einen Finger für Euren kostbaren Sohn zu rühren, König Heinrich. Darum denke ich, wir sollten zuerst über Eure Gegenleistung reden.«
    Die Königin zog hörbar die Luft ein – ein Ausdruck der Entrüstung, mutmaßte Tugomir. Ihre jüngeren Kinder sahen ängstlich zu ihr hoch. Aber König Heinrich schien weder empört noch überrascht. »Sag mir, was du willst.«
    »Das Leben und die Freiheit von zwei Dutzend slawischen Gefangenen.« Er hatte sich genau überlegt, wie viele er fordern sollte, denn die Vorstellung war einfach unerträglich, mit dem König um Menschenleben zu feilschen. Er hatte versucht, sich in Heinrichs Lage zu versetzen, und sich gefragt, wie viele gefangene feindliche Krieger er selbst verschont hätte, um das Leben seiner Schwester oder seines Vaters zu retten. Ein Zehntel, lautete die Antwort.
    Der König zögerte nicht. »Einverstanden.«
    »Darunter mein Vater, sollte er hier sein, und …«
    »Ist er nicht«, fiel Heinrich ihm kopfschüttelnd ins Wort. »Alle Gefangenen sind Redarier und Obodriten.«
    Die Heveller sind alle gefallen , dachte Tugomir. Weil sie die Tapfersten waren … »Da ich Euch nicht traue, will ich sie sehen.«
    »Meinetwegen.«
    »Ihr Leben und ihre Freiheit«, widerholte Tugomir. »Ohne Bedingungen. Dafür, dass ich versuche, Euren Sohn zu retten.«
    »Ja, ja«, gab der König ungeduldig zurück. »Jetzt tu endlich irgendetwas! Bruder Matthias, seid so gut und tretet beiseite.«
    Der Mönch, der dem Austausch stumm gefolgt war, machte Tugomir Platz – ohne Protest, aber unverkennbar eingeschnappt.
    Tugomir trat an Ottos Bett und sah auf den Kranken hinab.
    Bis zu diesem Moment hatte er in Prinz Otto immer nur den Krieger gesehen. Einen mächtigen

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