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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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die andere Seite des Gefangenenlagers zurückkam, stand Draschko mit seinem Dutzend bereit. Er selbst zählte dazu.
    Tugomir gab keinen Kommentar ab. Er brachte die Männer zu Prinz Thankmar, der mit einem großgewachsenen, flachshaarigen Sachsen vor einem Zelt stand und einen Becher Wein teilte.
    »Die Wahl ist getroffen«, sagte Tugomir. »Dies sind die Männer.«
    Thankmar nickte und wies die Wachen an: »Nehmt ihnen die Fesseln ab. Wenn die Sonne aufgeht, gebt ihr ihnen ein wenig Proviant und setzt sie über den Fluss.«
    Im Licht der Fackeln betrachtete sein Begleiter die slawischen Gefangenen. »Und das waren die besten, die du finden konntest?«, fragte er Tugomir ungläubig.
    Der Hevellerprinz ging nicht darauf ein, sondern übersetzte den Auserwählten, was Thankmar befohlen hatte. »Sie werden tun, was er sagt«, fügte er hinzu. »Ich glaube nicht, dass sie euch auf der anderen Flussseite einfach abschlachten und für die Krähen liegen lassen. Seid guten Mutes, und blickt nicht zurück. Geht nach Hause und lebt. Mögen die Götter euch begleiten.«
    Der sächsische Hüne packte ihn am Ellbogen und knurrte: »Was redest du da in deiner gottlosen Sprache? Lass dir ja nicht einfallen, diese Jammergestalten zu einem neuen Aufstand aufzuwiegeln.«
    »Siegfried«, mahnte Thankmar mit einem ungeduldigen Seufzer. »Vergiss nicht, es sind die Befehle des Königs.«
    Der junge Graf stieß angewidert die Luft aus. »Das soll verstehen, wer will.« Und in Tugomirs Richtung fügte er hinzu: »Dann kriegen wir sie eben beim nächsten Mal. Und dann werden sie brennen, ich schwör’s.«
    Tugomir sah zu Thankmar. »Sagtest du ›maßvoll‹?«
    Der Prinz lachte in sich hinein und gab Siegfried den geleerten Becher zurück. »Hab Dank, Vetter.« An Tugomir gewandt, fügte er hinzu: »Lass uns zurückreiten, mein barbarischer Freund. Zeit, nach meinem armen Brüderchen zu sehen, denkst du nicht?«
    Tugomir schüttelte den Kopf. »Ich muss hierbleiben, bis die Gefangenen hingerichtet sind.«
    »Warum in aller Welt willst du dir das antun?«
    »Weil ich es ihnen schuldig bin.« Und weil das eben die Aufgabe war, die die Götter ihm zugewiesen hatten: Er musste der Zeuge ihres Untergangs sein.
    Doch Prinz Thankmar hatte keinen Respekt vor Tugomirs Göttern. Er führte den Hevellerprinz ein paar Schritte weg von Siegfried und den Wachen. »Du hast mein Wort, dass die zwei Dutzend sicher über den Fluss kommen und die übrigen mit Anstand aus der Welt geschafft werden.«
    Tugomir warf einen vielsagenden Blick auf Graf Siegfried. »Ich habe Zweifel.«
    »Sie sind unbegründet. Im Gegensatz zu seinem hitzköpfigen Bruder tut Siegfried immer nur, was seinen eigenen Interessen dienlich ist. Er weiß, dass ich unter den Panzerreitern viele Freunde habe und darum erfahren würde, wenn er die Befehle des Königs missachtet. Und er weiß, dass das seinen Interessen ganz und gar nicht dienlich wäre.«
    »Aber ich will …«
    »Schluss jetzt«, unterbrach Thankmar ihn unwirsch. »Du scheinst zu vergessen, dass auch du nur ein Gefangener bist. Was du willst, ist nicht von Belang. Wir reiten zurück. Jetzt.«
    Tugomir verschränkte die Arme. »Was bist du für ein Waschweib, dass es dir so davor graut, ein paar Dutzend Männer sterben zu sehen, edler Prinz.«
    Thankmars Miene wurde erwartungsgemäß finster, und er ballte die Rechte. Doch dann zögerte er, schien einen Moment zu überlegen und grinste schließlich. »Nicht übel. Aber wenn du mich mit Worten schlagen willst, musst du noch ein wenig schlauer werden, scheint mir. Also was ist jetzt? Wollen wir? Oder muss ich dich für den Rückweg nun doch noch in Ketten legen lassen?«
    Tugomir bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick und saß auf. Thankmar folgte seinem Beispiel, und schweigend ritten sie aus dem Lager. Über den Wäldern jenseits der Elbe brach der Tag mit einem Morgenrot an, dessen Farbe so tief und kräftig war, dass sie an frisch vergossenes Blut erinnerte.
    »Wie angemessen«, bemerkte Thankmar. Doch der Spott schien ihm zur Abwechslung einmal abhanden gekommen zu sein.
    Tugomir wandte ihm das Gesicht zu und brach sein eisiges Schweigen. »Warum? Wieso verwehrst du mir, diesen Männern meinen Respekt zu erweisen? Was hätte es dich gekostet?«
    » Mich? Überhaupt nichts«, räumte Thankmar achselzuckend ein. »Aber dich. Ich kann ehrlich keinen Sinn darin erkennen, sich selbst so völlig nutzlos zu quälen.«
    »Oh, das glaub ich aufs Wort«, entgegnete Tugomir.

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