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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Wolle und Leder in den erstaunlichsten Farben zu kaufen gab, polierte Steine oder Amulette aus Holz und Ton an Lederschnüren, Tiegel mit duftenden Essenzen und kleine Leinenbeutel mit getrockneten Kräutern. Die Prinzen trafen ihre Wahl rasch: Otto kaufte Bänder in einem tiefen Blaugrau, die, da war er sicher, großartig zu Edithas Augen passen würden. Thankmar führte eine leise Unterhaltung mit der Händlerin. Sie nickte schließlich, öffnete eine verschlossene kleine Truhe, die zwischen ihr und ihrem Gemahl auf der Erde stand, und förderte einen tiefroten, würfelförmigen Stein zutage, fädelte einen hellen Lederriemen durch das kleine Loch und reichte das Amulett über den Ladentisch.
    Otto pfiff durch die Zähne. »Du greifst ziemlich tief in deine Börse«, bemerkte er.
    »Was ist das?«, wollte Henning wissen.
    »Ein Karfunkel«, antwortete Thankmar, bezahlte ihre Einkäufe und ließ den Stein in dem Beutel an seinem Gürtel verschwinden.
    »Was tut man damit?«, fragte der Junge weiter.
    Weil Thankmar sich wortlos abwandte, antwortete Otto: »Es ist ein Schmuckstein, Henning.« Und in Gedanken fügte er hinzu: ein Schmuckstein mit magischen Kräften. Es heißt, die Frau, die ihn trägt, kehrt immer wieder zu dem Mann zurück, der ihn ihr umgehängt hat. Otto begann sich zu fragen, ob Thankmars Gleichgültigkeit über Egvinas bevorstehende Abreise vielleicht nur vorgetäuscht war, und er empfand ein vages Bedauern für seinen älteren Bruder.
    Trotz des allgemeinen Getöses auf dem Markt hörte man unverkennbar von der anderen Seite des Platzes das Auftreffen der Axt, den gellenden Schrei des armen Sünders und den Beifall der Zuschauer.
    »So ein Mist  …«, jammerte Henning.
    »Mandelkuchen«, raunte Thankmar ihm zu.
    Mit Tränen der Wut in den Augen schrie Henning ihn an: »Halt endlich den Mund, du Bastard !«
    Die Ohrfeige kam so schnell, dass das Auge kaum zu folgen vermochte. »Du solltest besser auf deine Zunge achtgeben, Brüderchen«, riet Thankmar. »Sonst schneide ich sie dir eines Tages ab.« Wenn man seine versteinerte Miene anschaute, konnte man ihm fast glauben.
    Henning lag im Staub und heulte.
    »Also wirklich, Thankmar«, schalt Otto seufzend. Dann packte er den jüngeren Bruder nicht gerade behutsam am Oberarm, zerrte ihn auf die Füße und befahl: »Hör auf zu flennen.« Und er ertappte sich bei der Frage, was für Ratgeber diese beiden Brüder wohl abgeben würden, wenn er eines Tages König war. Er kam zu dem Schluss, dass es vielleicht ratsam wäre, sich nach ein paar anderen umzuschauen. Und nichts war dazu wohl besser geeignet als ein Hoftag …
    Die Pfalz in Quedlinburg war größer als die Magdeburger, drohte aber dennoch aus allen Nähten zu platzen. Ein wahres Heer von Köchen und Bäckern, Mägden und Gehilfen kochte, briet und buk im Küchenhaus, im Innenhof drehten kräftige junge Burschen ganze Ochsen und Hammel am Spieß über großen Feuern. Die angereisten Fürsten der Welt und der Kirche residierten in Stadthäusern, die sie gemietet hatten, in nahen Klöstern oder in Zeltlagern außerhalb der Stadt, doch sie kamen ausnahmslos mit Gefolge hinauf zur Pfalz, und es musste Platz und Nahrung sowohl für ihre Pferde als auch ihre Begleiter gefunden werden.
    »Was für ein herrliches Durcheinander. Und nicht der Hauch einer Chance auf eine Flucht.« Semela seufzte tief.
    »Wir werden sehen«, entgegnete Tugomir.
    Semela verdrehte die Augen. »Was werden wir sehen? Dass die Götter ein Wunder wirken und den Riegel von der Tür rosten lassen?«
    »Sie können uns nicht die ganze Zeit hier einsperren. Spätestens wenn sie ihre Götterzeremonie halten, brauchen sie diesen Raum.«
    »Sakristei.«
    »Was?«
    »So nennt man diesen Raum. Hier bewahren sie irgendwas auf, was ihrem Gott kostbar ist, und darum hat Bischof Bernhard fürchterlich geschimpft, als er gehört hat, dass wir hier … verwahrt werden.«
    Tugomir fragte sich, woher der Junge solche Dinge immer erfuhr. »Nun, ich bin sicher, wir werden dieses erbärmliche Kämmerchen seines Gottes nicht mehr lange mit unserer Gegenwart besudeln. Schließlich hat König Heinrich uns mit hergebracht, um mich seinen Fürsten zu präsentieren. Mit stolzgeschwellter Brust.«
    »Hm«, machte Semela abschätzig. »Jedenfalls wirst du in der Halle beim Festmahl sitzen, und ich muss weiter hungern.«
    »Wir können gern tauschen«, entfuhr es Tugomir. Bei der Vorstellung, König Heinrichs Vasallen wie eine Jagdtrophäe vorgeführt

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