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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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seinen Dienern sprecht«, bekannte er. »Aber selbst den Frömmsten unter euch scheint es gleich zu sein, wer ihnen Linderung oder Genesung bringt, wenn sie nur krank genug sind.«
    »So wie Otto, meinst du wohl«, murmelte Thankmar.
    »Oder seine Verlobte.« Egvina wies diskret zu ihrer Schwester, die nur zwei Plätze entfernt von ihr an Ottos Seite saß.
    Editha beugte sich vor. »Wieso habe ich das Gefühl, ihr sprecht von mir?«
    Otto war wie üblich damit beschäftigt gewesen, seine Braut zu bewundern, und wandte erst jetzt den Kopf. »Oh, Tugomir, da bist du ja.« Er lächelte. »Ich weiß nicht, wie es dir ergeht, aber ich hoffe, das Essen beginnt bald.«
    Auch Prinz Otto war wesentlich eleganter gekleidet als üblich, fiel Tugomir auf. Für gewöhnlich trug er schlichte Gewänder nach sächsischer Tracht, manchmal wirkten sie gar ein wenig schäbig, als sei es ihm gleich, wie er ausschaute. Heute hingegen war er von Kopf bis Fuß in neue Kleider gehüllt: Hosen aus dunkelblauem Tuch, makellose Wildlederstiefel, ein hellblaues Obergewand, das an Ärmelsäumen und am geschlitzten Halsausschnitt reich mit Goldgarn bestickt war, einen breiten silberbeschlagenen Gürtel mit seinen Waffen, die auf Hochglanz poliert waren. Kein Zweifel, irgendwer hatte dafür gesorgt, dass Otto heute eine prinzliche Erscheinung bot. Vermutlich nicht er selbst. Ganz sicher nicht seine Mutter. Tugomir sah versonnen zu Editha, und sie erwiderte seinen Blick mit einem winzigen triumphalen Lächeln.
    »Seht nur, da kommt Giselbert von Lothringen mit unserer Schwester«, sagte Otto, und alle schauten zur zweiflügeligen Tür der Halle.
    Ein vielleicht vierzigjähriger Mann mit einem auffälligen schulterlangen Silberschopf war eingetreten. Offenbar war er stolz auf seine Haarpracht, denn sie war auf Hochglanz gebürstet wie das Fell eines geliebten Pferdes. Tugomir sah Thankmar angewidert das Gesicht verziehen. Vielleicht fand der Prinz den gestriegelten Herzog genauso weibisch, wie Tugomir es tat. Doch als er Giselbert ins Gesicht sah, hob er sein vorschnelles Urteil auf. Der Herzog von Lothringen mochte eitel sein, aber er war gewiss ein harter Mann und ein kluger Herrscher. Das konnte man seinen graublauen Augen förmlich ablesen.
    An seiner Seite führte er eine junge Frau, die Prinz Ottos Ebenbild war.
    »Sie ist schwanger«, bemerkte Thankmar.
    »Wusst ich’s doch«, sagte Otto stolz.
    Vor Heinrich und Mathildis beugte auch der Herzog von Lothringen das Knie: »Mit Freuden bin ich Eurem Ruf zum Hoftag nach Quedlinburg gefolgt, mein König, um meinen Treueschwur zu erneuern.«
    Heinrich begrüßte ihn herzlicher als Arnulf von Bayern. Er stand auf, hob Giselbert an den Schultern auf und schloss erst ihn, dann seine Gemahlin in die Arme. »Gerberga! Wie geht es dir, mein Kind?«
    »Es könnte kaum besser sein, Vater«, versicherte sie, eine Spur zu förmlich.
    Auch die Königin hatte sich erhoben, um Tochter und Schwiegersohn willkommen zu heißen, und ihr gegenüber zeigte Gerberga mehr Wärme.
    Und so kamen sie, einer nach dem anderen: die Herzöge Eberhard von Franken und Herrmann von Schwaben hatten die prächtigsten Gewänder und das größte Gefolge, übertroffen vielleicht nur noch von den drei Erzbischöfen des Reiches, die genau wie die Herzöge an die hohe Tafel gebeten wurden. Grafen kamen und Bischöfe und Äbte, und als einer der Letzten betrat ein junger Mann ohne Gefolge die königliche Halle zu Quedlinburg. Er war schlicht gekleidet und trug keinen Schmuck bis auf ein großes Silberkreuz auf der Brust, und doch wurde es merklich leiser an den Tischen, und alle Augen waren auf ihn gerichtet.
    Thankmar wandte sich verwundert an Tugomir. »Er sieht dir ähnlich wie ein Bruder. Als ich ihm im Sommer begegnet bin, ist mir das gar nicht aufgefallen.«
    »Fürst Wenzel von Böhmen?«, fragte Tugomir ungläubig. »Was tut er hier? Noch gehört Böhmen nicht zu eurem gefräßigen Reich, oder?«
    »Nein«, musste Thankmar zugeben. »Aber er ist Vater tributpflichtig. Genau wie ihr Heveller übrigens, nur ist Wenzel nicht ganz so störrisch wie ihr. Außerdem ist er mit Arnulf von Bayern befreundet. Ich schätze, sie sind zusammen angereist. Sag schon, wieso sieht er aus wie du?«
    »Er ist mein Vetter«, gab Tugomir ein wenig benommen zurück. Ein slawischer Fürst, der mit einem von König Heinrichs Herzögen befreundet war, war Tugomir bis zu diesem Moment ebenso unvorstellbar gewesen wie ein slawischer Fürst mit einem Kreuz

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