Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
ist ihr Ehemann, und sie kuscheln sich jeden Abend aneinander und schlafen so die ganze Nacht. Er geht nicht zur Arbeit, während sie schläft. Sein Körper bleibt an ihrer Seite.
Isabella merkt, wie sie lächelt. Dann sagt sie sich, dass diese Ideen zu viel Energie beanspruchen, und macht sich wieder an die Arbeit.
Matthew hat einen kalten Tag draußen auf der windgepeitschten Plattform verbracht, weil er ein Fenster abdichten musste, durch das Wind und Regen eindrangen. Um drei Uhr verspürt er das Bedürfnis, einen Brandy zu trinken. Nur ein Glas, aber er hat keinen im Leuchtturm. Er hat ein schlechtes Gewissen dabei, Isabella allein zu lassen und im Exchange etwas zu trinken, doch sie scheint nicht eifersüchtig zu sein, wenn er ein bisschen Zeit ohne sie verbringt. Sie steht gerade in der Küche und rührt in einem Tropf Graupensuppe mit Schweinefleisch.
»Bist du zum Essen wieder da?«
»Natürlich. Zur Dämmerung bin ich wieder da, um das Licht anzuzünden.«
»Gut, ich möchte mir die ganze Mühe nicht umsonst machen.«
Er lächelt und berührt ihr Haar. Sie findet Kochen anstrengend und zeitraubend, kann aber jeden Tag Stunden mit ihrer Schmuckherstellung verbringen. »Es ist nicht umsonst, Liebste. Ich bin mir sicher, das wird die beste Suppe, die ich je gegessen habe.« Es ist eine Lüge. Ihre Mahlzeiten schmecken allesamt fade.
Sie küsst ihn auf die Wange, und er geht den Hügel hinunter, wobei ihm der Wind in den Ohren pfeift. Er spürt noch ihre warmen Lippen auf der Haut. Im Kamin des Exchange, der an dreihundertfünfzig Tagen im Jahr kalt und unbenutzt ist, prasselt ein munteres Feuer. An der Theke grüßt man ihn, und wenn er an seinem Platz sitzt, fragen ihn die Leute im Vorbeigehen nach Schiffen und dem Wetter, während sie doch eigentlich nur wissen wollen, ob pikante Telegramme angekommen sind.
Er erzählt nie von seinen Telegrammen. Natürlich kennt er die Angelegenheiten der ganzen Stadt. Aber er ist nicht in der Stimmung, sie mit jemandem zu teilen. Manchmal denkt er, er sei der geborene Telegrafenbeamte: Er hat nie Vergnügen an den Geheimnissen anderer Leute gefunden. Falls überhaupt, ist es ihm ein bisschen peinlich, als Erster zu erfahren, wer Großmutter geworden ist oder ein Vermögen verloren hat oder ungeliebte Verwandte zu Besuch erwartet. Er hat längst gelernt, diese Dinge rasch wieder zu vergessen.
Matthew setzt sich an einen Tisch am Fenster, wo ein anderer Gast eine Zeitung liegengelassen hat. Er blättert müßig im Nambour Chronicle und bemerkt, dass die Zeitung schon eine Woche alt ist.
Dann entdeckt er es. Zwischen den Kleinanzeigen, den Lokalnachrichten und dem Klatsch liest er die Überschrift: »Familie des Ehemannes sucht vermisste Frau.« Seine Ohren klingeln leise, während er weiterliest: »Mrs. Georgiana Winterbourne, die Mutter des verstorbenen Juweliers Arthur Winterbourne aus Maystowe in Somerset, erbittet Nachricht über ihre Schwiegertochter Mrs. Isabella Winterbourne, die vermutlich im Küstengebiet zwischen Townsville und Brisbane lebt. Sie ist einen Meter siebzig groß, von schlanker Gestalt, mit blondem Haar und blauen Augen. Sie ist dreiundzwanzig Jahre alt und lebt vermutlich unter falschem Namen. Für Hinweise, die zu ihrer Entdeckung führen, wird eine Belohnung ausgesetzt.« Dann folgt die Adresse von Percy Winterbourne in Maryborough, einer großen, weiter nördlich gelegenen Stadt im Landesinneren.
Sie suchen nach ihr. Gewiss haben sie kein Bild, nicht einmal eine nähere Beschreibung – wohl weil sie sich, wie Isabella so oft betont hat, nie sehr für sie interessiert haben –, aber sie suchen dennoch nach ihr. Er lässt seinen halb getrunkenen Brandy stehen, geht an die Theke und fragt Eunice Hand bemüht ruhig, ob sie den Chronicle von dieser Woche habe. Sie lächelt und wühlt unter der Theke danach.
»Danke schön«, sagt er und kehrt an seinen Tisch zurück, wo er die Zeitung rasch durchblättert. Sein Herz entspannt sich, als er nichts findet. Also war es nur eine einzige Anzeige. Eine bloße Erinnerung, ein Fidibus für den Kamin.
Dann entdeckt er sie doch. Percy Winterbourne schaltet sie jede Woche. Seit wie vielen Wochen schon? In wie vielen Zeitungen? In allen zwischen Townsville und Brisbane? Isabella hat gesagt, die Familie sei reich und rücksichtslos.
Er steht auf, kippt den Brandy in einem Zug hinunter und klemmt sich die Zeitung unter den Arm. Er winkt Eunice und allen anderen zum Abschied und eilt in der Kälte
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