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Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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behalten.

    Isabella kann nicht schlafen. Eine seltsame, traurige Krankheit hat sie ergriffen. Sie döst nur ein bisschen, liegt die ganze Nacht wach, sehnt sich Matthew ins Bett, damit sie an seiner behaarten, muskulösen Brust Trost suchen kann. Wird sie krank, hat sie sich auf dem Dampfer oder in der Stadt irgendetwas eingefangen? Aber nein, sie spürt die Übelkeit eher auf der Haut als im Magen. Sie sehnt sich, weiß aber nicht, wonach. Sie versucht, sich mit vertrauten Phantasien zu beruhigen, doch die helfen nicht. Die Nacht dauert ewig. Schließlich schläft sie ein, als es gerade dämmert.
    Ein paar Stunden später scheint die Sonne schon hell, als sich knarrend die Schlafzimmertür öffnet und Matthew hereinschaut. Sie sieht ihn orientierungslos an.
    »Geht es dir gut, Isabella? Du hast so lange geschlafen.«
    »Wie spät ist es?«
    »Zehn Uhr.«
    Da ist es wieder, das Gefühl, dass ihre Haut schwer ist von ungeweinten Tränen. So sollte sie sich eigentlich nicht fühlen. Sie ist jung und hat sich erlaubt, wieder zu lieben. Eigentlich müsste sie Freudenglocken hören, statt eine widerliche, kalte Furcht in Händen und Füßen zu spüren.
    »Es geht mir nicht gut. Aber ich weiß nicht …« Dann fällt es ihr ein. Sie weiß es, und der Schmerz ist so scharf und hart, dass sie keuchend Luft holt. Ihre Finger tasten nach dem schwarzen Band an ihrem Handgelenk.
    Er setzt sich neben sie aufs Bett und legt den Arm um sie. »Meine Liebste?«
    »Ist heute der 2. August?«
    »Ja.«
    »Heute vor drei Jahren ist mein Baby gestorben.« Ihre Stimme scheint von weit her zu kommen, ein rationaler Klang anstelle eines entsetzten Schluchzens.
    »Ich verstehe«, sagt er und nimmt sie in die Arme.
    Sie drückt sich an ihn. »Mein Körper hat sich noch vor meinem Verstand erinnert. Ist das nicht seltsam?«
    »Ganz und gar nicht.«
    »Arthur hätte gesagt, das sei Unsinn.«
    »Arthur war ein grausamer Mann, und jetzt ist er tot. Mir kannst du immer sagen, was du fühlst.«
    »Dann will ich dir sagen, dass ich mich niedergeschlagen und von mir selbst entfernt fühle. Dass ich an jenem Tag ebenso gut hätte sterben können und schon seit drei Jahren glücklich in meinem Grab liegen könnte.«
    »Und ich wäre dir nie begegnet.«
    »Vielleicht wäre das besser für dich gewesen.«
    Er fragt nicht nach, lässt ihre Bemerkung einfach im Raum stehen und drückt sie an sich, und sie lässt die Tränen fließen. Er weicht nicht zurück, wird nicht ungeduldig oder ihrer Tränen überdrüssig. Doch sie fühlt sich heute nicht wohl in ihrer Haut und schiebt ihn irgendwann sanft weg. »Heute kann mich nichts trösten.«
    »Das habe ich auch nicht erwartet.«
    »Ich gehe am Strand spazieren, um einen klaren Kopf zu bekommen.«
    »Möchtest du Gesellschaft?« Er klingt hoffnungsvoll, und ihr Herz zieht sich zusammen.
    »Nein, ich muss allein sein.«
    Sie zieht sich an und nimmt einen Apfel aus der Küche mit, bevor sie durch den Wald an den Strand hinuntergeht. Der Apfel ist hart und süß und füllt das nagende Loch in ihrem Magen, doch nicht das Loch in ihrer Seele. Drei Jahre, und es ist immer noch da.
    Isabella begreift, dass sie hofft, Xavier hier zu sehen, dass er früher aus Sydney zurückgekommen ist. Vielleicht könnte sein warmer Blick die schleichende Traurigkeit vertreiben, die sie heute niederdrückt. Doch sie schaut über den verlassenen Sand, und er ist nicht da. Der Wind vom Meer ist kalt, und die Wellen sind flach wie silbergraue Seide. Eine Möwe gleitet über ihr auf einer Luftströmung dahin, die Schwingen ausgebreitet und gewölbt. Ein grauer Tag, so ganz anders als der, an dem Daniel starb. Es war im Sommer, ein langer Tag mit warmer Sonne und einem wolkenlosen blauen Himmel und Bienen, die über das Gras flogen, als spürten sie seinen Verlust nicht. Was auch stimmte. Niemand spürte ihn. Niemand außer ihr, und das machte sie zur einsamsten Frau der Welt.
    Sie dreht sich um und blickt zurück zum Wald. Dahinter steht das Haus der Fullbrights. Katarina ist noch in Sydney, Ernest vermutlich auf Geschäftsreise, die Köchin mit der Wäsche beschäftigt. Wenn sie sich durch die Hintertür ins Kinderzimmer schleicht, findet sie vielleicht etwas von ihm, das sie mitnehmen kann. Ein kleines Spielzeug, das sie heute an sich drücken kann, um sich ein wenig zu trösten. Sie geht über den unebenen Waldboden und schlägt jenseits der Anhöhe den Weg in die Stadt ein. Bewegt sich vorsichtig. Manche Leute hier halten sie für

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