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Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
Autoren: Kimberley Wilkins
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weiß ich nicht, ob Juliet jemals wieder mit mir sprechen wird. Vermutlich bekomme ich gar nicht die Gelegenheit, dich zu verraten.«
    Sie schwiegen einen Moment. Bossy sprang auf Damiens Schoß, und das Geräusch des Meeres und das Summen des Ventilators lullten Libby ein wenig ein. Dann sagte er plötzlich: »Juliet hat mir erzählt, was an dem Abend passiert ist, an dem Andy starb.«
    Das schlechte Gewissen und die Scham waren überwältigend. »Oh.« Mehr brachte sie nicht heraus.
    Er sagte nichts weiter, kraulte nur Bossys Ohren.
    »Ich weiß, dass ich das war«, sagte sie schließlich. »Aber es kommt mir vor, als wäre es ein anderer Mensch gewesen. Zwanzig Jahre. Mein halbes Leben. Damals kam ich mir erwachsen vor, aber heute weiß ich, dass ich praktisch noch ein Kind war.«
    »Als Juliet mir davon erzählt hat, hatte ich schreckliches Mitgefühl mit ihr. Aber auch mit dir.«
    Sie schaute ihn skeptisch an. »Tatsächlich?«
    »Wir alle machen in unserer Jugend Fehler. Die meisten sind nicht tragisch. Du hast allerdings großes Pech gehabt. Das habe ich Juliet auch gesagt.«
    Sie schaute in ihre Teetasse und bemerkte, dass ihre Hände zitterten. Die Erinnerungen an jene Nacht kamen wieder hoch. Das Salzwasser in der Kehle, der kalte Wind, die Sirenen, die wachsende Angst. Am schlimmsten aber waren Juliets Schreie, die wie die eines verwundeten Tieres klangen, nicht mehr menschlich. »Ich war ein Idiot«, stieß sie hervor. »Wenn ich nicht ins Wasser gegangen wäre, würde er noch leben. Er und Juliet wären verheiratet und hätten Kinder. Sie wäre glücklich geworden.« Sie kniff die Augen zu, um die Tränen zu unterdrücken.
    »Das kannst du nicht wissen. Sie waren noch Kinder, als sie zusammenkamen; es hätte auch alles schiefgehen können. Das kann man nie mit Sicherheit sagen.«
    »Nein. Aber ich habe ihnen die Möglichkeit genommen, diesen Traum zu leben. Ich habe ihr Leben zerstört.«
    »Ihr Leben ist nicht zerstört.«
    Sie blickte auf. »Genau das Gleiche hat sie auch gesagt. Genauso.«
    »Dann muss es stimmen.« Er lächelte warmherzig und sanft. »Bist du wegen des Unfalls nach Paris geflohen?«
    »Ja. Ich meine, ich wollte schon immer weg aus dieser Stadt. Doch als es passierte, wollte ich auch so weit wie möglich weg von Juliet. Die Schuld hat mich förmlich erdrückt. Es hat geholfen, dass sie mich nie wiedersehen wollte.« Libby hielt kurz inne. Juliets Worte klangen ihr in den Ohren und weckten die furchtbaren Schuldgefühle aufs Neue. Sie wollte die Augen schließen und im Boden versinken und nie wieder daran denken müssen, doch Damien wartete darauf, dass sie weiterredete. »Ich sprach gut Französisch, also habe ich keinen Rückflug gebucht. Ich bin weggelaufen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und irgendwie wurden aus einem Jahr zwei, dann vier, dann zehn, dann … Ich habe alles verpasst. Jeden Geburtstag, jedes Weihnachten, Dads Beerdigung. Ich habe keine Ahnung, was Juliet in der Zeit gemacht hat, weil ich sie nie danach gefragt habe. Vermutlich würde sie es mir erzählen, wenn sie geheiratet oder ein Kind bekommen hätte. Manchmal habe ich mich gefragt, wie ihr Leben aussehen mag, aber dann bekam ich ein so schlechtes Gewissen …« Ihre Stimme bebte, und sie musste tief Luft holen, um nicht zu weinen. »Ich habe mich gezwungen, sie zu vergessen.«
    Damien schob Bossy auf seinem Schoß zurecht und legte sanft die Hand auf Libbys Arm. »Es ist alles gut.«
    Etwas in seiner Berührung, seiner Stimme machte sie ungeheuer zornig. Warum sollte dieses Kind Mitleid mit ihr haben? Ihr Mut zusprechen? Sie zuckte zusammen und zog die Hand weg. »Ich weiß, dass es gut ist«, fauchte sie und schämte sich sofort. Sie stand auf und ging ans Fenster. Sie spürte ihn hinter sich im Zimmer, wo er geduldig wartete. Anscheinend hatte er ihr die hitzigen Worte nicht übelgenommen. »Könnten wir bitte das Thema wechseln?«
    »Sicher. Tut mir leid, dass ich es erwähnt habe.«
    »Nun, zu unserem liebeskranken Leuchtturmwärter …«
    »Mir fehlen einige Papiere von 1901. Sein Tagebuch bricht ab, als es gerade interessant wird und er … ähm … liebeskrank. Dann schreibt er nichts mehr. Das nächste Tagebuch stammt von seinem Nachfolger.«
    Libby drehte sich zu ihm um, den Rücken an die Spüle gelehnt. Er wurde immer noch von Bossy auf dem Sofa gefangen gehalten. »Wo könnten diese Unterlagen sein?«
    »Ich habe so eine Ahnung. Aber ich komme nicht heran.«
    Sie neigte fragend den Kopf.
    »Sie
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