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Das Haus am Nonnengraben

Titel: Das Haus am Nonnengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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Dann sind wir einmal gemeinsam zum Skilaufen gefahren. Gott, was haben wir gespart und geschuftet, Christine und ich, um uns diese Woche leisten zu können – unsere Eltern waren nicht arm, aber knauserig, und Skifahren, so was Neumodisches, um Gottes willen! Und als wir wiederkamen nach den paar Tagen, ging das Gerücht um, wir seien verlobt. Und Karla hat dem Gerücht nicht widersprochen. Ich ging wie auf Wolken, weit über dem Boden.« Schweigen. Die Hände streichelten den Tisch.
    Schließlich fragte Benno: »Und dann?«
    »Dann kam Elfi.« Der harte Unterton in der Stimme des alten Mannes ließ Benno aufhorchen. »Das heißt, sie hatte schon das ganze vorherige Jahr versucht, sich in unsere Gruppe zu drängen. Diese Gruppe, ein paar aus dem Tennisclub und der eine oder andere Freund; am Anfang war das ganz locker, man hat halt ein paarmal was miteinander organisiert, Ausflüge und so weiter. Dann wurde das fast zur Institution. Ballgruppe haben wir sie genannt – verstehen Sie, von Tennisball und Tanzball –, Babagru, Bamberger Ballgruppe. Das war nach dem berühmten ›Weiß-Ball‹ bei den Rothammers. Das ganze Haus war weiß geschmückt und alle mussten weiß angezogen erscheinen und durften nur ein farbiges Teil tragen. Für die Männer war das gar nicht so einfach – wer hatte damals schon weiße Hosen? Die meisten kamen in weißen Hemden und Bäcker- oder Arzthosen. Aber ich hatte mir von einem Nachbarn, der Musiker war, einen weißen Smoking leihen können. Der passte mir sogar ganz gut, und ich war, neben Arthur natürlich, der eleganteste Mann des Abends.« Herr Dechant lächelte.
    »Ja, das war ich. Als ich das Haus betrat, kam Karla gerade die Treppe herunter, in einem wunderbaren alten weißen Kleid, ich glaube, von ihrer Großmutter. Ich hatte in der Brusttasche ein rotes Einstecktuch und eine farblich genau passende kleine Rose. Die reichte ich Karla – ich beugte dabei ein Knie, wie ein mittelalterlicher Ritter.« Eine Hand flog in die Luft, als überreichte sie eine Rose, und Herr Dechant deutete lächelnd eine Verbeugung an.
    »Karla legte das bunte Tuch, das sie um den Hals geschlungen hatte, über das Treppengeländer. Sie trug ihre Haare hochgesteckt. Sie nahm eine Klammer aus ihren Haaren – jetzt erinnere ich mich wieder, Klämmala nannte man so etwas, Klämmala – und befestigte damit die Rose an ihrem Ausschnitt. ›Sieht aus wie Gold, nicht wahr?‹, sagte sie. Und das tat es, so golden wie ihre Haare, und es hielt den ganzen Abend.«
    »Und Elfi?«
    »Die war da noch nicht dabei. Aber sie hatte es auf Arthur abgesehen, und sie fand Mittel und Wege … In dem Frühjahr war mal ein Picknick, da passierte ihr irgendein Missgeschick, und Arthur hat sie heimgefahren. Und seitdem … Dann starb Vater Rothammer, und Arthur war so … so trostbedürftig. Da muss sie ihn wohl verführt haben, und anständig, wie er war, entschied er sich, sie zu heiraten. An dem Abend, als er es Karla sagte, erst wenige Tage vor der Hochzeit, kam ich zufällig bei den Rothammers vorbei. Karla öffnete die Tür, nahm mich wortlos an der Hand und brachte mich in ihr Zimmer. Sie weinte herzzerreißend, und ich tröstete sie, so gut ich konnte. Schließlich …« Die Hände lagen jetzt ruhig ineinander. »O Gott, ich war so glücklich in dieser einzigen, einzigen, einzigen Nacht.«
    Der alte Mann hatte die Augen geschlossen, und Benno wagte nicht, in sein Schweigen einzubrechen, lange.
    »Danach war Karla irgendwie verändert. Sie war … freundlich und geduldig zu mir, sie behandelte mich wie eine nette ältere Schwester einen etwas lästigen kleinen Bruder. Aber ich war so verliebt, ich wollte natürlich mehr. Doch sie ließ mich … nie mehr, sie ließ mich nie mehr an sich heran. Wochen später – Arthur und Elfi waren inzwischen verheiratet, ich war Trauzeuge, mein Gott, war das eine verhunzte Hochzeit –, also, eines Abends hatten Karla und ich uns furchtbar gestritten. Ich knallte die Tür zu ihrem Zimmer zu, und da stand Elfi auf der Treppe. Sie muss dort auf mich gewartet haben. ›Na, du großer Jäger‹, sagte sie – Karla mochte das nicht, wenn ich auf die Jagd ging, aber ein Onkel hatte mich mitgenommen, und Elfi fand das immer ganz großartig. ›Na, du großer Jäger.‹ Ich weiß es noch genau, weil es mir schmeichelte, und das hatte ich in dem Moment bitter nötig. ›Das nennt man Treffsicherheit.‹ Nein, sie sagte, noch anzüglicher: ›Das nennt man Zielwasser. Ein Schuss, und voll

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