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Das Haus am Nonnengraben

Titel: Das Haus am Nonnengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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Skilaufen gefahren. Arthur hatte seinen Freund Anton mitgenommen und Karla ihre Freundin Christine, das war Antons Schwester. Und als sie wiederkamen, war unausgesprochen klar, dass bald Hochzeit gefeiert würde. Arthur und Christine und Karla und Anton. Sie studierten zusammen und spielten Tennis, und alles passte wunderbar. Und dann kam das Picknick.«
    Tante Kunigunde stützte den linken Arm auf den Tisch und legte das Kinn in den Handteller. Ihr Blick ging durch das Tischtuch hindurch weit in die Vergangenheit. »Es war ein herrlicher Sommersonntag. Unsere Gruppe hatte große Picknickkörbe gepackt, und wir sind in die Fränkische Schweiz gefahren. Wir lagerten auf einer Blumenwiese an einem Bach, hatten die Tischtücher ausgebreitet und das Essen aufgebaut und die Sonne schien und die Lerchen sangen und alles war ganz idyllisch. Und dann sagt Elfi, dieser Unglückswurm: ›Ich entbehre des Senfs.‹«
    Tante Kunigunde bekam wieder einen Lachanfall, der gar nicht heiter klang. »Ich entbehre des Senfs! Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie wir gelacht haben. Wir haben uns gekringelt und auf die Schenkel gepatscht und ›ich entbehre des Senfs‹ geschrien. Elfi blieb eine Weile fassungslos sitzen, dann ist sie aufgestanden und hat mich angeschaut.« Tante Kunigunde zögerte. »Das war das einzige Mal, dass ihr einstudiertes Gehabe von ihr abfiel. Sie sah aus wie ein trauriges Kind, und dann ist sie davongerannt, in den Wald. Sie war wunderschön, wie sie da über die Wiese rannte: Ihr weißes Kleid flatterte im Wind und ihre langen schwarzen Haare hatten sich gelöst und flossen über ihren Rücken. Arthur schaute ihr nach, und langsam erstarb das allgemeine Gelächter. Dann stand Arthur auf und folgte ihr, der edle Ritter. Das war Arthur tatsächlich, der starke Arm, der Schutz der Schwachen, jetzt also der Tröster der Betrübten. Als er im Wald verschwunden war, versuchten wir, zu unserem leichten Geplänkel zurückzufinden, aber die Stimmung war verflogen. Karla, die über den Senf am meisten gelacht hatte, machte ein Gesicht, als hätte sie eine Biene verschluckt. Uneingestanden warteten wir alle darauf, was passieren würde. Es dauerte lange, fast eine halbe Stunde. Christine ist einmal aufgestanden und auf den Wald zugegangen, hat dann aber so getan, als würde sie Blumen pflücken, und sich wieder zu uns gesetzt und mit Anton ein Gespräch angefangen. Dann kamen sie. Arthurs Hand lag beschützend auf Elfis Arm. Er hatte ihr nicht den Arm um die Schulter gelegt, nur die Hand auf den Arm, sodass ein Abstand zwischen ihnen war und doch eine Verbindung. Er sagte: ›Ich bringe Elfi nach Hause. Es ist ja genügend Platz für alle in den anderen Autos.‹ Keiner antwortete, und wir schauten den beiden nach, wie sie den Hang hinaufgingen und oben ins Auto stiegen und wegfuhren. Niemand hatte mehr so rechten Appetit, nicht einmal der dicke Hans mochte noch etwas. Wir versuchten noch ein Federballmatch, aber dann packten wir bald zusammen. Dabei schien die Sonne noch immer. Drei Monate später starb Vater Rothammer, und einen Monat danach heirateten Arthur und Elfi. Ja, das war’s. Das war die Geschichte mit dem Senf.«
    Tante Kunigunde schwieg, strich mit dem Finger Parmesankrümel auf dem Tisch zusammen, formte Muster aus dem kleinen Häufchen, strich es wieder zusammen. Man hörte die alte Uhr ticken, langsam und tief.
    Hanna konnte die Stille nicht mehr ertragen. »Und wie ging es weiter?«
    »Karla war wie vom Blitz getroffen. Sie konnte sich mit dieser Heirat einfach nicht abfinden. Sie ging zum Studium nach München und kam nur noch sehr selten nach Hause. Dann haben wir sie aus den Augen verloren. Weil Elfi mit uns nichts mehr zu tun haben wollte, suchte sich auch Arthur neue Freunde, Leute, die in der damaligen Wirtschaftswunderzeit schnell zu Geld kamen. Arthur übrigens auch, er machte, glaube ich, etwas in Finanzberatung. Jedenfalls schien er jede Menge Geld zu haben. Er behängte Elfi mit Schmuck, fuhr mehrere schnelle Autos, und sie machten jedes Jahr Urlaub in irgendeinem exotischen Land, von dem wir meist nicht mal den Namen kannten. Aber sein Augapfel war das Haus am Nonnengraben. Das wurde gestrichen und verschönt und mit neuen Bädern versehen und mit Antiquitäten eingerichtet, und alles immer vom Feinsten. Er feierte riesige Feste mit Sekt und Kaviar, aber wir, seine alten Freunde, waren nie eingeladen. Wir wären wahrscheinlich auch nicht hingegangen. Wir mochten ihn nicht mehr, den neuen

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