Das Haus am Nonnengraben
verschiedenen Organisationen geholfen.«
Benno schüttelte verwundert den Kopf. »Und davon hat keiner etwas gewusst?«
»Ich glaube nicht. Der Steuerbeamte vielleicht. Sie hat alles immer über mich abgewickelt, meist anonym.«
»Aber warum?«
»Sie war wohl selbst ein Flüchtlingskind, das seine Verwandten auf der Flucht verloren hatte. Sie hat einmal so eine Andeutung gemacht, aber sie war sehr zurückhaltend mit Auskünften über sich selber.«
»Aber wir haben in ihrem Haus keinerlei Unterlagen gefunden, keine Kontoauszüge oder Ähnliches.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Frau Rothammer war äußerst penibel in diesen Dingen, sie hatte die Zahlen immer ganz exakt parat, sie muss genau Buch geführt haben.«
»Hm, sieht so aus, als müssten wir uns noch einmal auf die Suche machen«, seufzte Benno und zahlte.
Er verließ van Vinden mit einem großen Erstaunen. Das passte so gar nicht zu dem Bild, das er sich bisher von der Toten gemacht hatte. Und er fragte sich, wo wohl die Wahrheit zwischen den vielen Gesichtern eines Menschen wohnte.
Nach seiner Verhandlung am Nachmittag fuhr Benno auf dem Heimweg zum Polizeipräsidium, einem großen modernen Gebäude in Grau und Grün im Osten der Stadt. Werner hatte eine Lagebesprechung vorgeschlagen, war aber noch nicht von seinem Besuch bei Anneliese Kurt zurück, als Benno in sein Büro kam. Ein paar Minuten später stürmte er ins Zimmer und ließ sich auf einen Stuhl fallen.
»Entschuldige. Es hat bei Frau Kurt ein bisschen länger gedauert. Das ist eine tolle Frau! Die muss an die neunzig sein. Sie hatte offenbar arge Schmerzen im Bein. Aber so was von beherrscht und freundlich!« Werner schüttelte beeindruckt den Kopf. »Und ihre private Buchhaltung erst! Stell dir vor: Seit dem Tag, an dem sie das Vermächtnis von Arthur Rothammer bekam, hat sie jeden Pfennig, den sie ausgegeben hat, aufgeschrieben, bis hin zu den Briefmarken.«
»Und wieso hat sie dieses Vermächtnis gekriegt?«
»Sie war Arthur Rothammers Kindermädchen und wohl so eine Art Ersatzmutter, nachdem seine Mutter weggegangen war. Sie hat mir ohne Weiteres ihre gesamte Buchhaltung, gezeigt, lauter dicke Schulhefte mit endlosen Kolonnen von fein säuberlich geschriebenen Zahlen. Also, das Geld, das sie geerbt hat, ist in sicheren Papieren angelegt. Sie bekommt jeden Monat einen kleinen Betrag überwiesen. Davon kann sie zusammen mit ihrer Rente das Heim bezahlen. Was dann noch übrig ist, ermöglicht ihr ein paar bescheidene Extras. Die einzige größere Ausgabe, die mir auffiel, war für die Kirchenrenovierung ihres Bruders, der irgendwo auf dem Land Pfarrer ist.«
»Sieht ja alles schwer verdächtig aus.«
»Hm, ich kann mir auch nicht vorstellen, dass wir da noch irgendetwas finden. Nur mit Angaben zur Familie Rothammer war sie sehr sparsam. Sie findet wohl, das gehe die Polizei nichts an.«
»Das bringt uns also auch nicht weiter. Was haben wir denn überhaupt bisher?«, fragte Benno, wissend, dass Werner auf diese Frage wartete.
Werner stand auf und holte seine Notizen vom Schreibtisch.
»Lass uns mal zusammenfassen«, sagte er einleitend. »Fangen wir mit dem Opfer an. Die Tote hieß Elfi Patzik, geboren am 20.11.1937 in Hirschberg, Schlesien. Sie heiratete am 15.8.1960 Arthur Rothammer, der am 18.12.1979 bei einem Autounfall ums Leben kam. Elfi Rothammer war alleinstehend, sie hat keine lebenden Verwandten mehr. Bohrer hat das gecheckt.«
»Euer grandioser Umstandskrämer?«
»Ja, das ›Genie in Uniform‹.«
»Hm?«
»So hat er sich mal selbst bezeichnet. Das heißt also, dass ihr Vermögen an den Staat fällt. Oder kriegt das die Arthur-Rothammer-Stiftung?«
»Das weiß ich nicht. Erb- und Stiftungsrecht sind Bereiche, in denen ich mich nicht so auskenne. Ich werde mich morgen schlaumachen.«
»Steht denn nichts darüber in den Akten, die dir Bolz gegeben hat?«
»Nein. Diese Akten sind überhaupt eigenartig, so nichtssagend. Ein paar Sachen fallen allerdings auf. Zum Beispiel: Arthur Rothammer hat die Stiftung im Februar 1979 gegründet. Zehn Monate später war er tot. Er starb drei Tage, nachdem er sein Testament gemacht hatte. Passender Autounfall, findest du nicht? Danach scheinen sich Bolz, Böschen und Frau Rothammer sehr eng zusammengeschlossen zu haben. Ich bin überzeugt, dass sie die Stiftungsgelder, oder zumindest die Erträge, unter sich aufgeteilt haben.«
»Aber wie denn? So eine Stiftung unterliegt doch der staatlichen Aufsicht, oder?«
»Da
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