Das Haus am Nonnengraben
keine Zeit dafür.«
»In Eger? Kannst du denn Tschechisch?«
»Nein, ich halte ihn auf Englisch. Das kommt noch dazu. Mein Englisch ist so was von super! Aber wegen der Kontoauszüge: Ich könnte morgen nur Bohrer in das Haus am Nonnengraben …«
»Schon gut, ich habe verstanden.« Benno grinste. »Ich gehe. Morgen Nachmittag müsste ich das zeitlich unterbringen können.«
»Danke, Benno. Dich interessiert dieser Fall wirklich, nicht wahr?«
»Natürlich, so viele Morde hatte ich in meiner Laufbahn bisher noch nicht. Und wenn, dann war es meist das Übliche, im Pennermilieu oder in der Rauschgiftszene, irgend so ein armes Schwein, das nach zwei Stunden gefasst war. Oder der Ehemann, der es nicht ertragen konnte, dass seine Frau sich von ihm trennen wollte. Aber so ein richtiger Ermittlungsfall …«
»Und dein Interesse hat nicht zufällig etwas mit einer gewissen Frau Dr. Tal zu tun?«
»Schuft, natürlich nicht. Reines Berufsethos.«
»Sie hat übrigens angerufen und sich nach dir erkundigt.«
»Hanna? Bei dir?«
Werner lachte. »Nein, bei Katja. Die mich daraufhin intensiv über dich ausfragte.«
»Und, was hast du ihr erzählt?«
»Na, dass du ein übler Schweinehund seist, von dem man besser die Finger ließe.«
Doch Benno lachte nicht über diesen Witz. »Mit der habe ich es sowieso verdorben«, knurrte er missmutig. Wie ihm das gelungen war, mochte er nicht erzählen. »Was hast du denn sonst noch so erzählt? Von Dagmar?«
»Dass du schon mal verheiratet warst? Ja, sie hat mich direkt danach gefragt.«
»Nach Dagmar?«
»Nein, ob du verheiratet bist.«
»Und was hast du gesagt, warum es schiefgegangen ist?«
»Ach, ich hab es sehr poetisch ausgedrückt: dass sie Après-Ski wollte und du Morgenlicht, sie Bayern 3 und du Bayern 4. Gut, nicht?«
Aber Benno war nicht in der Lage, Werners poetische Vergleiche zu würdigen. »Hm.«
»Warum hast du Dagmar eigentlich damals geheiratet? Sie hat so wenig zu dir gepasst.«
»Was glaubst du, wie oft ich schon darüber nachgedacht habe. Ich habe es vielleicht einfach satt gehabt, immer als der verlässliche große Bruder meiner jüngeren Geschwister zu gelten, der brave große Sohn, der Waldspaziergänge und Beethoven liebt. Ich kam mir so todlangweilig vor, wollte endlich mal ein bisschen Pfeffer in mein Leben bringen. Und außerdem habe ich natürlich geglaubt, dass ich sie liebe.«
»Tja, es gibt nichts Unzuverlässigeres als den Glauben an die Liebe«, bemerkte Werner weise.
»Du musst es ja wissen«, brummte Benno. »Aber wenn du mir mit deinen blöden Bemerkungen die Tour …«
»Du hast doch gesagt, dass du es dir mit Frau Tal sowieso verdorben hast? Beruhige dich. Ich habe auch sehr Nettes über dich verlauten lassen: Dass du hervorragend kochen kannst, zum Beispiel. Das macht Frauen total an. Sogar auf mich ist davon noch ein kleiner Lichtstrahl gefallen, weil ich dir doch immer dabei geholfen habe.«
»Wann hat sie denn angerufen?«
»Vor acht Tagen oder so.«
»Ach so. So lang schon«, murmelte Benno. »Ich hatte gehofft … Seit Dienstag früh ist Hanna nämlich nicht zu erreichen. Sie ist doch in diesem Fall eine wichtige Zeugin. Da muss sie doch …«
»Nun mach dir mal keine Sorgen. Katja hat erzählt, dass sie beruflich viele Termine hat, auch außerhalb Bambergs. Die taucht schon wieder auf.«
»Aber ich habe ihr doch gesagt, sie solle sich zur Verfügung halten. Sie hätte doch wenigstens telefonisch …«
»Tja, das ist das Problem mit den Frauen, dass sie halt meist nicht das tun, was man will«, sagte Werner grinsend.
15
Hanna dachte gar nicht daran, aufzutauchen. Sie war im Gegenteil gerade dabei, abzutauchen – ins Nachtleben, in die Untiefen des Spielkasinos von Bad Wiessee. Sie fühlte sich unsicher, denn sie war noch nie in einem Spielkasino gewesen und kannte weder die offiziellen noch die ungeschriebenen Spielregeln. War es vielleicht unmöglich, als Frau allein dorthin zu gehen? Wie war man angezogen, wie viel Geld musste man mindestens eintauschen, musste man dort essen oder kam man nach dem Essen? Ihr Wissen über Spielkasinos stammte von James Bond und Dostojewski.
Sie hatte einen Urlaubstag wie aus dem Bilderbuch hinter sich, so einen Tag, an dem man nur die schönen Dinge sieht. Sie hatte sich ein Zimmer auf einem Bauernhof genommen und sich von ihrer Wirtin einen kleinen Moorsee zum Baden empfehlen lassen. Die Wanderung dorthin – Voralpenlandschaft pur: abgeerntete stachelig bleichgelbe
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