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Das Haus Am Potomac

Das Haus Am Potomac

Titel: Das Haus Am Potomac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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blieb kaum Zeit, sich die Hände und das Gesicht zu
waschen, bevor die Umzugsleute kamen. Die drei Männer
schleppten die Möbel herein, rollten den Teppich
auseinander, packten das Geschirr und die Gläser aus,
trugen die Sachen aus dem Abstellraum herauf. Gegen
Mittag waren sie, augenscheinlich zufrieden mit ihrem
Trinkgeld, schon wieder fort.
    Wieder allein, ging Pat direkt ins Wohnzimmer. Die
Veränderung war gewaltig. Dominierend in dem Zimmer
war der gut vier mal sieben Meter große Orientteppich mit
seinen leuchtenden aprikosenfarbenen, grünen,
zitronengelben und preiselbeerroten Mustern auf
schwarzem Grund. Vor der kürzeren Wand stand das
zweisitzige grüne Samtsofa, in rechtem Winkel zu dem
langen aprikosenfarbenen Satinsofa. Die dazu passenden
Ohrensessel standen rechts und links neben dem Kamin;
die Bombay-Truhe stand links von den Terrassentüren.
    Der Raum war beinahe wieder in seinem früheren, alten
Zustand. Sie ging hindurch, strich über die Tischplatten,
rückte einen Stuhl oder eine Lampe zurecht, strich mit den
Händen über die Polstermöbel. Was empfand sie? Sie war
sich nicht sicher. Nicht direkt Angst – obwohl sie sich
dazu zwingen mußte, am Kamin vorbeizugehen. Was
dann? Sehnsucht? Aber wonach? War es möglich, daß
einige dieser verschwommenen Sinnesempfindungen
Erinnerungen an glückliche Zeiten waren, die sie in
diesem Zimmer verlebt hatte? Wenn es so war, was konnte
sie sonst noch tun, um sie wiederzuerlangen?
    Fünf Minuten vor drei stieg sie vor dem Russell Senate
Office Building aus einem Taxi. In den letzten Stunden
war die Temperatur stark gesunken, und sie war froh, als
sie das geheizte Foyer betrat. Die Sicherheitswachen
ließen sie den Metalldetektor passieren und zeigten ihr den
Weg zum Aufzug. Kurz darauf meldete sie sich mit ihrem
Namen bei der Empfangsdame von Abigail Jennings.
»Frau Senatorin Jennings hinkt zeitlich ein wenig ihrem
Terminplan hinterher«, erklärte die junge Frau.
    »Sie hat einige Leute aus ihrem Wahlbezirk zu Besuch,
die unerwartet vorbeigekommen sind. Es wird nicht lange
dauern.«
    »Es macht mir nichts aus zu warten.« Pat entschied sich
für einen Sessel mit einer geraden Rückenlehne und
blickte sich um. Abigail Jennings hatte eindeutig eines der
begehrtesten Senatorenbüros. Es war eine
Eckzimmereinheit von einer Luftigkeit und Geräumigkeit,
wie sie ihres Wissens in dem überfüllten Gebäude äußerst
rar waren. Ein niedriges Geländer trennte den
Wartebereich vom Schreibtisch der Empfangsdame. Zur
Rechten führte ein langer Gang zu einer Reihe von Büros.
Die Wände waren bedeckt mit gerahmten Zeitungsfotos
von der Senatorin. Auf dem kleinen Tisch neben der
Ledercouch lagen Broschüren, in denen der Standpunkt
der Senatorin zu noch nicht verabschiedeten Gesetzen
erklärt war.
    Sie hörte die ihr vertraute Stimme mit dem ganz leichten
Anflug eines Südstaatenakzents, wie sie Besucher aus
einem weiter innen gelegenen Büro
hinauskomplimentierte. »Das war ganz entzückend, daß
Sie es einrichten konnten, hier vorbeizukommen. Ich
wünschte nur, ich hätte mehr Zeit für Sie …«
    Die Besucher waren ein gut gekleidetes Paar um die
sechzig und schäumten vor Dankbarkeit geradezu über.
»Naja, bei der Fund-raiser Veranstaltung sagten Sie, wir
könnten jederzeit vorbeikommen, und ich habe gesagt,
›Violet, jetzt sind wir in Washington, laß uns das
machen.‹«
»Sind Sie sicher, daß Sie sich nicht freimachen können
fürs Dinner?« mischte sich die weibliche Besucherin ein.
»Ich wünschte nur, ich könnte es.«
Pat beobachtete, wie die Senatorin ihre Gäste zur Tür
nach draußen geleitete, sie öffnete und langsam schloß, so
daß sie die beiden zwang hinauszugehen. Gut gemacht,
dachte sie. Sie spürte, wie ihr Adrenalinspiegel stieg.
Abigail drehte sich um und hielt inne, wodurch sie Pat
Gelegenheit gab, sie näher zu betrachten. Pat hatte
vergessen, wie groß die Senatorin war – ein Meter
fünfundsiebzig ungefähr, und sie hielt und bewegte sich
sehr graziös und sehr aufrecht. Ihr graues Tweedkostüm
betonte die Linien ihres Körpers; breite Schultern hoben
die schmale Taille hervor, knochige Hüften endeten in
schlanken Beinen. Ihr aschblondes, kurz geschnittenes
Haar umrahmte das schmale Gesicht, in dem am meisten
die außergewöhnlichen, porzellanblauen Augen auffielen.
Ihre Nase glänzte, ihre Lippen waren blaß und
ungeschminkt. Sie schien absolut kein Make-up zu

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