Das Haus Am Potomac
benutzen, als versuche sie bewußt, nicht auf ihre
bemerkenswerte Schönheit aufmerksam zu machen. Bis
auf die feinen Fältchen um Augen und Mund sah sie noch
genauso aus wie vor sechs Jahren.
Pat beobachtete, wie der Blick der Senatorin an ihr
hängenblieb.
»Hallo«, sagte die Senatorin und kam auf sie zugeeilt.
Und mit einem vorwurfsvollen Blick zu ihrer
Empfangsdame meinte sie: »Cindy, Sie hätten mir
mitteilen sollen, daß Miss Traymore da ist.« Ihr tadelnder
Ausdruck schlug in Bedauern um. »Nun, es ist ja nichts
passiert. Kommen Sie doch bitte herein, Miss Traymore.
Darf ich Pat zu Ihnen sagen? Luther hat Sie mir so warm
empfohlen, daß ich das Gefühl habe, Sie zu kennen. Ich
habe auch einige der Sendungen gesehen, die Sie in
Boston gemacht haben. Luther hat sie mir vorgeführt. Sie
sind großartig. Und wie Sie auch in Ihrem Brief erwähnt
haben, wir sind uns schon einmal vor einigen Jahren
begegnet. Als ich in Wellesley gesprochen habe,
stimmt’s?«
»Ja, stimmt«. Pat folgte der Senatorin in ihr inneres Büro
und blickte sich um. »Ist das hübsch!« rief sie aus.
Auf einem großen Walnußschreibtisch standen eine fein
bemalte japanische Lampe, eine offensichtlich teure
Figurine einer ägyptischen Katze und ein goldener Füller
in einem Halter. Der karmesinrote breite und bequeme
Ledersessel mit geschwungenen Lehnen und kunstvollen
Zierknöpfen war wahrscheinlich englisches siebzehntes
Jahrhundert. Auf einem Orientteppich waren die Farbtöne
Karmesinrot und Blau vorherrschend. Hinter dem
Schreibtisch hingen die Flaggen der Vereinigten Staaten
und des Staates Virginia an der Wand. Blauseidene,
seitlich gebundene Vorhänge milderten den Ausblick auf
die Trostlosigkeit des wolkenverhangenen Wintertages.
Eine Wand war mit Mahagoni-Bücherregalen verdeckt.
Pat nahm in einem Sessel Platz, der dem Schreibtisch der
Senatorin am nächsten stand.
Die Senatorin schien über Pats Reaktion auf ihr Büro
erfreut. »Einige meiner Kollegen meinen, daß ihre Wähler
sie für um so fleißiger und sachlicher halten, je schäbiger,
vollgestopfter und unordentlicher ihre Büros aussehen. Ich
kann in Durcheinander einfach nicht arbeiten. Harmonie
ist für mich sehr wichtig. In dieser Atmosphäre schaffe ich
viel mehr.«
Sie machte eine Pause. »In nicht ganz einer Stunde
findet eine Abstimmung statt, vielleicht sollten wir daher
lieber zur Sache kommen. Hat Luther Ihnen gesagt, daß
mir der Gedanke an diese Sendung in höchstem Maße mißfällt ?«
Pat fühlte sich auf sicherem Boden. Viele Leute hatten
etwas gegen Sendungen über sie. »Ja, das hat er«,
antwortete sie, »aber ich glaube ehrlich, daß Sie mit dem
Ergebnis zufrieden sein werden.«
»Das ist der einzige Grund, warum ich das überhaupt in
Betracht ziehe. Ich will ganz offen sein: Lieber arbeite ich
mit Luther und Ihnen zusammen, als daß ein anderer
Sender eine von mir nicht genehmigte Sache bringt.
Trotzdem! Ich wünschte, wir hätten noch die guten alten
Zeiten, als ein Politiker einfach sagen konnte: ›Was zählt,
ist nur meine politische Laufbahn.‹«
»Die Zeiten sind vorbei. Zumindest für die Personen, die
zählen.«
Abigail langte in ihre Schreibtischschublade und holte
eine Schachtel Zigaretten hervor. »In der Öffentlichkeit
rauche ich nicht mehr«, bemerkte sie. »Nur einmal –
stellen Sie sich vor, einmal – hat eine Zeitung ein Bild von
mir gedruckt, auf dem ich eine Zigarette in der Hand habe.
Damals war ich im Repräsentantenhaus und bekam
Dutzende empörter Briefe von Eltern aus meinem Bezirk,
daß ich ein schlechtes Beispiel gäbe.« Sie reichte die
Packung über den Schreibtisch. »Möchten Sie …?«
Pat schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Mein Vater bat
mich, nicht zu rauchen, bis ich achtzehn würde. Und als es
soweit war, hatte ich die Lust darauf verloren.«
»Sie haben Wort gehalten? Nicht heimlich hinter der
Garage geraucht oder so?«
»Nein.«
Die Senatorin lächelte. »Das finde ich sehr beruhigend.
Sam Kingsley und ich sind den Medien gegenüber sehr
mißtrauisch. Sie kennen ihn, nicht war? Als ich ihm über
diese Sendung berichtete, hat er mir versichert, Sie wären
anders.«
»Das war nett von ihm«, sagte Pat und bemühte sich,
gleichgültig zu klingen. »Frau Senatorin, am schnellsten
kommen wir, glaube ich, weiter, wenn Sie mir genau
sagen, warum der Gedanke an diese Sendung Ihnen so
zuwider ist. Wenn ich von Anfang an weiß, woran Sie
Anstoß nehmen,
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