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Das Haus Am Potomac

Das Haus Am Potomac

Titel: Das Haus Am Potomac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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seiner Pranke verschwinden.
Nachdem er fort war, blieb sie in Gedanken versunken
am Eingang stehen. Sie mußte lernen, keine
Gefühlsregung zu zeigen, wenn der Name Dean Adams
fiel. Sie war froh gewesen, daß Toby auf ihn zu sprechen
gekommen war, als sie im Schutz der Dunkelheit im Auto
saß.
Aus dem Schatten des Hauses gegenüber beobachtete
noch jemand, wie Toby fortfuhr. Voller Zorn und Neugier
betrachtete er Pat, wie sie da im Eingang stand. Er hatte
die Hände in den Taschen seines schäbigen Mantels
vergraben. Seine weiße Baumwollhose, die weißen
Socken und die weißen Gummisohlen seiner Schuhe
verschmolzen mit dem Schnee, der am Haus
aufgeschaufelt war. Seine knochigen Handgelenke
strafften sich, als er die Finger zu Fäusten
zusammenballte, und die Muskeln in seinen Armen
vibrierten vor Anspannung. Er war ein großer, hagerer
Mann, der sich steif und gerade hielt und die
Angewohnheit hatte, den Kopf ungewöhnlich
zurückgeworfen zu halten. Sein silbergraues Haar, das
nicht zu dem merkwürdig faltenlosen Gesicht paßte, war
in die Stirn gekämmt.
Sie war da. Er hatte sie beobachtet, wie sie in der Nacht
zuvor ihren Wagen ausgepackt hatte. Sie arbeitete an
dieser Sendung, obwohl er sie gewarnt hatte. Das war das
Auto der Senatorin, und in diesen Kartons waren
vermutlich irgendwelche Akten. Und sie hatte vor, in
diesem Haus zu bleiben. Plötzlich kam ihm wieder die
Erinnerung an jenen Morgen vor langer Zeit: an den
Mann, der eingequetscht zwischen Couchtisch und Sofa
auf dem Rücken lag; an die blicklosen starren Augen der
Frau; an das blutverklebte Haar des kleinen Mädchens …
Lange nachdem Pat die Tür geschlossen hatte, stand er
immer noch schweigend da, als könnte er sich nicht
losreißen.
Pat war gerade in der Küche und briet sich ein Kotelett,
als das Telefon zu läuten begann. Sie hatte gar nicht mit
einem Anruf von Sam gerechnet, aber … Mit einem
flüchtigen Lächeln griff sie nach dem Hörer. »Hallo.«
Ein Flüstern. »Patricia Traymore?«
»Ja. Wer ist da?« Doch sie kannte diese schleimige
Flüsterstimme bereits.
»Haben Sie meinen Brief erhalten?«
Sie bemühte sich, ruhig zu klingen, freundlich
überredend. »Ich weiß gar nicht, worüber Sie sich so
aufregen. Verraten Sie es mir.«
»Vergessen Sie diese Sendung über die Senatorin, Miss
Traymore. Ich will Sie nicht strafen. Bringen Sie mich
nicht dazu, es zu tun. Aber denken Sie daran, was der Herr
gesagt hat: ›Wer aber ärgert dieser Geringsten einen, dem
wäre besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehängt
und er ersäuft würde im Meer, da es am tiefsten ist.‹«
Die Leitung verstummte.

5
    Es war nur der Anruf eines Verrückten – irgend so eines
Spinners, der vermutlich der Ansicht war, daß Frauen in
die Küche gehörten, nicht in öffentliche Ämter. Pat dachte
an diesen verschrobenen Kerl in New York, der immer auf
der Fifth Avenue auf und ab zu gehen pflegte mit
Schildern, auf denen Bibelzitate standen des Inhalts, daß
eine Frau ihrem Manne Untertan zu sein habe. Er war
harmlos gewesen. Und das war auch dieser Anrufer. Sie
mochte nicht glauben, daß er etwas anderes war.
    Sie ging mit einem Tablett in die Bibliothek und aß zu
Abend, während sie gleichzeitig die Akten der Senatorin
sichtete. Ihre Bewunderung für die Senatorin wuchs mit
jeder Zeile, die sie über sie las. Abigail Jennings hatte es
ernst gemeint, als sie sagte, sie sei mit ihrem Beruf
verheiratet. Ihre Wähler waren ihre Familie, dachte Pat.
    Pat war am nächsten Morgen mit Pelham im Sender
verabredet. Sie ging um Mitternacht zu Bett. Zum großen
Elternschlafzimmer des Hauses gehörten ein unmittelbar
daran anschließendes Ankleidezimmer und ein Bad. Die
Chippendale-Möbel mit ihren feinen Intarsienarbeiten aus
Obstbaumhölzern hatten mit Leichtigkeit hineingepaßt. Es
war klar zu erkennen, daß sie extra für dieses Haus
gekauft worden waren. Die hochbeinige Kommode paßte
zwischen die Wandschränke; die Frisierkommode mit dem
Spiegel gehörte in die Fensternische, das Bett mit seinen
kunstvollen Schnitzereien ans Kopfende der Wand
gegenüber dem Fenster.
    Veronica hatte ihr einen neuen Sprungfederboden und
neue Matratzen geschenkt, und das Bett war wundervoll
bequem. Aber ihre Ausflüge in den Keller, um die
Aktenschränke zu säubern, hatten ihr Bein angestrengt.
Der übliche nagende Schmerz war stärker als gewöhnlich,
und obwohl sie sehr müde war, hatte sie Mühe,

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