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Das Haus Am Potomac

Das Haus Am Potomac

Titel: Das Haus Am Potomac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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gestört, daß ihre Mutter Köchin war?«
Sie stellte sich im Geiste vor, wie Sam auf diese Frage
reagieren würde. In seinen Augen wäre das eine unnötige
Einmischung in persönliche Angelegenheiten.
Ethel stützte sich mit ihren kräftigen Ellbogen auf den
Tisch. »Und ob! Meine Mutter erzählte mir immer, wie
keck Abby war. Wenn jemand die Straße entlang kam,
schlenderte sie gemächlich den Weg zum Vordereingang
entlang, als ob das Haus ihr gehörte, und sobald keiner
mehr in Sichtweite war, sauste sie schnell hinten herum.
Ihre Mutter hat immer mit ihr geschimpft, aber das hat
auch nichts genützt.«
»Ethel. Es ist neun Uhr.«
Pat blickte auf. Ein untersetzter Mann mit hellbraunen
Augen in einem fröhlichen runden Gesicht stand neben
dem Tisch und band gerade eine lange weiße Schürze los.
Seine Augen verweilten auf dem Recorder.
Ethel erklärte, worum es ging, und stellte Pat vor. »Das
ist mein Mann, Ernie.«
Ernie reizte eindeutig der Gedanke, etwas zu dem
Interview beizutragen. »Erzähl doch, wie Mrs. Saunders
Abby dabei erwischt hat, wie sie durch den Vordereingang
hereingekommen ist, und ihr beigebracht hat, wo sie
hingehört«, schlug er vor. »Weißt du noch? Sie hat sie
gezwungen, auf den Bürgersteig zurückzugehen, durch die
Einfahrt hereinzukommen und ums Haus herum zum
Hintereingang zu gehen.«
»Oh, ja«, sagte Ethel. »Das war gemein, nicht wahr?
Mama sagte, Abby habe ihr leid getan, bis sie ihren
Gesichtsausdruck bemerkt habe. Da hätte einem das Blut
in den Adern gefrieren können, sagte Mama.«
Pat versuchte sich vorzustellen, wie Abigail als junges
Mädchen gezwungen wurde, zum Dienstboteneingang zu
gehen, um zu zeigen, daß sie wußte, »wohin sie gehörte«.
Sie hatte wieder das Gefühl, daß sie sich ins Privatleben
der Senatorin einmischte. Sie wollte das Thema nicht
weiterverfolgen. Sie lehnte ab, als Ernie ihr noch Wein
anbot. »Abby – ich meine, die Senatorin – muß eine sehr
gute Schülerin gewesen sein, daß sie ein Stipendium in
Radcliffe bekommen hat. War sie die Klassenbeste?«
»Oh, sie war phantastisch in Englisch und Geschichte
und in Sprachen«, antwortete Ethel, »aber ein richtiges
Spatzenhirn in Mathe und Naturwissenschaften. In denen
hat sie es nur knapp geschafft.«
»Klingt ganz nach mir«, sagte Pat lächelnd. »Erzählen
Sie mir von dem Schönheitswettbewerb.«
Ethel lachte herzhaft. »Es gab vier, die in die
Endausscheidung zur Miss Apple Junction gekommen
sind. Meine Wenigkeit gehörte auch dazu. Ob Sie es
glauben oder nicht, ich wog damals nur hundertsieben
Pfund und war verdammt hübsch.«
Pat wartete darauf, daß kam, was kommen mußte. Und
Ernie enttäuschte sie nicht: »Du bist immer noch
verdammt hübsch, Schatz.«
»Abby gewann spielend«, fuhr Ethel fort. »Dann kam sie
in die Ausscheidungsrunde zur Miss New York State. Als
sie die gewann, hat es alle fast umgehauen. Sie wissen ja,
wie das ist. Wir wußten natürlich, daß sie hübsch war,
aber wir waren ihren Anblick alle so gewohnt. War unser
Städtchen aufgeregt!«
Ethel lachte leise. »Ich muß sagen, Abby hat uns den
ganzen Sommer damals mit Klatsch versorgt. Das große
gesellschaftliche Ereignis hier in der Gegend ist das
Country-Club-Tanzfest im August. Alle reichen Jungen
und Mädchen von weit und breit nahmen daran teil. Von uns natürlich niemand. Aber in dem Jahr war auch Abby
Foster da. Nach dem, was ich gehört habe, trug sie ein
weißes Marquisette-Kleid, das mit schwarzer ChantillySpitze abgesetzt war, und sah aus wie ein Engel. Und
wissen Sie, wessen Wahl auf sie gefallen ist? Jeremy
Saunders’! Er war gerade zurück aus Yale, nachdem er
dort graduiert hatte. Und er war praktisch mit Evelyn
Clinton verlobt! Er und Abby hielten die ganze Nacht
Händchen, und er hat sie dauernd beim Tanzen geküßt.
Am nächsten Tag war das Stadtgespräch. Mama sagte,
Mrs. Saunders müsse Gift und Galle gespuckt haben: ihr
einziger Sohn verliebt in die Tochter der Köchin! Und
dann«, sagte Ethel schulterzuckend, »war es einfach
vorbei. Abby reichte die Krone der Miss New York State
zurück und fuhr aufs College. Sagte, sie wisse, daß sie es
nie zur Miss Amerika schaffen würde, daß sie nicht
singen, tanzen oder schauspielern könne, wie es der
Talentwettbewerb verlange, und daß sie keinesfalls in
Atlantic City auf und ab stolzieren und als Verliererin
zurückkommen wolle. Viele Leute hatten Geld gestiftet
für die Garderobe der

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