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Das Haus Am Potomac

Das Haus Am Potomac

Titel: Das Haus Am Potomac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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auszugraben, in denen vielleicht etwas
über die beiden Schönheitswettbewerbe stand, die Abigail
gewonnen hatte.
    Bei ihren Recherchen war Pat schon auf ein Bild von
Abigail mit Miss-New-York-Schärpe und -Krone
gestoßen. Aber die Aufnahme, die Abigail in voller Größe,
mit dem Transparent MISS APPLE JUNCTION zeigte,
war neu und verwirrend. Abigail stand auf einer Tribüne
des Bezirksjahrmarktes, umgeben von den anderen drei
Kandidatinnen. Die Krone auf ihrem Kopf war eindeutig
aus Pappmaché. Die anderen Mädchen lächelten glücklich,
geschmeichelt – in dem einen Mädchen am Rande
erkannte Pat die junge Ethel Stubbins wieder –, aber
Abigails Lächeln war kalt, fast zynisch. Sie wirkte völlig
fehl am Platze.
    »Drinnen ist ein Bild von ihr mit ihrer Mutter«, machte
Shepherd sie von sich aus aufmerksam und blätterte die
Seite um.
    Pat holte tief Luft. Die zartgliedrige Abigail Jennings mit
ihren feinen Zügen ein Kind dieser gedrungenen,
fettleibigen Frau? Wie war das möglich? Die Unterschrift
lautete: DIE STOLZE MUTTER MIT DER
SCHÖNHEITS-KÖNIGIN VON APPLE JUNCTION.
    »Warum nehmen Sie die beiden Ausgaben nicht einfach
mit?« fragte Edwin Shepherd. »Ich habe noch mehr
Exemplare davon. Denken Sie nur daran, uns als Quelle
anzugeben, wenn Sie etwas davon in Ihrer Sendung
verwenden.«
    Es wäre unfreundlich, das Angebot abzulehnen, erkannte
Pat. Ich sehe schon, wie wir ausgerechnet dieses Bild
nehmen, dachte sie, während sie sich bei dem Verleger
bedankte und schnell hinausging.
    Eine halbe Meile weiter die Main Street hinunter
veränderte sich das Erscheinungsbild der Stadt kraß. Die
Straßen wurden breiter, die Häuser vornehm, und die
Grundstücke waren groß und sehr gepflegt.
    Das Haus der Saunders’ war hellgelb und hatte schwarze
Fensterläden. Es war ein Eckhaus, und eine lange,
gebogene Einfahrt führte zu den Stufen der Veranda.
Elegante Stützpfeiler erinnerten Pat an die Architektur von
Mount Vernon. Die Einfahrt war von Bäumen gesäumt.
Ein kleines Schild verwies Lieferanten zum rückwärtigen
Dienstboteneingang.
    Sie parkte und stieg die Stufen hinauf, dabei fiel ihr bei
näherem Hinsehen auf, daß die Farbe abzubröckeln
begann und die Doppelfenster aus Metall rostig waren. Sie
drückte auf den Klingelknopf und hörte es irgendwo
drinnen leise läuten. Eine dünne Frau mit ergrauendem
Haar und einer Halbschürze über einem dunklen Kleid
öffnete die Tür.
    »Mr. Saunders erwartet Sie bereits. Er ist in der
Bibliothek.«
Jeremy Saunders saß in einem dunkelbraunen
Samtjackett in einem Ohrensessel mit hoher Rücklehne
am Kamin. Er hatte die Beine übereinandergeschlagen,
und unter den Aufschlägen der mitternachtsblauen Hose
lugten feine dunkelblaue Seidenstrümpfe hervor. Er hatte
außergewöhnlich ebenmäßige Gesichtszüge und schönes
welliges weißes Haar. Nur ein leichter Fettansatz um die
Taille und die aufgedunsenen Augen verrieten, daß er
gerne trank.
Er erhob sich und stützte sich dabei auf die Armlehne
des Sessels. »Miss Traymore!« Seine Stimme war so
überaus gepflegt, daß sie auf Kurse in Sprecherziehung
schließen ließ. »Sie haben mir am Telefon nicht verraten,
daß Sie die Patricia Traymore sind.«
»Was immer das bedeutet«, sagte Pat lächelnd.
»Seien Sie nicht bescheiden. Sie sind die junge Dame,
die eine Sendung über Abigail machen will.« Er forderte
sie mit einer Handbewegung auf, in dem Sessel, der
seinem gegenüber stand, Platz zu nehmen. »Sie nehmen
doch eine Bloody Mary?«
»Ja. Danke.« Die Kanne war bereits halb leer.
Das Dienstmädchen nahm ihr den Mantel ab.
»Danke, Anne. Das wäre im Moment alles. Vielleicht
leistet Miss Traymore mir später bei einem kleinen Lunch
Gesellschaft.« Jeremy Saunders’ Ton wurde noch
gekünstelter, wenn er mit der Bediensteten sprach, die nun
leise den Raum verließ. »Sie können die Tür zumachen,
wenn es Ihnen nichts ausmacht, Anna!« rief er. »Danke,
meine Liebe.«
Saunders wartete ab, bis das Schloß klickte, dann seufzte
er. »Es ist unmöglich, heute gute Kräfte zu bekommen.
Anders als zu den Zeiten, als Francey Foster noch die
Küche unter sich hatte und Abby bei Tisch servierte.« Der
Gedanke daran schien ihm zu gefallen.
Pat erwiderte nichts darauf. Der Mann hatte eine Art
geschwätzige Grausamkeit an sich. Sie nahm Platz, nahm
den Drink entgegen und wartete ab. Er zog eine
Augenbraue hoch. »Haben Sie kein Aufnahmegerät bei

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