Das Haus Am Potomac
sich?«
»Doch. Aber wenn es Ihnen lieber ist, werde ich es nicht
anstellen.«
»Ich habe nicht das Geringste dagegen. Mir ist es lieber,
daß jedes meiner Worte unsterblich wird. Vielleicht gibt
es eines Tages eine Abby-Foster- – nein, verzeihen Sie,
eine Senatorin-Abigail-Jennings Bibliothek. Dann können
die Leute auf ein Knöpfchen drücken und sich anhören,
wie ich über ihr ziemlich turbulentes Erwachsenwerden
berichte.«
Pat griff schweigend in ihre Schultertasche und holte den
Recorder und ihr Notizheft hervor. Sie war sich plötzlich
ziemlich sicher, daß sie von dem, was sie zu hören
bekommen würde, nichts verwenden könnte.
»Sie haben die Karriere der Senatorin verfolgt?« äußerte
sie als Vermutung.
»Atemlos! Ich empfinde höchste Bewunderung für
Abby. Schon als sie siebzehn war und sich von selbst
anbot, ihrer Mutter bei der Hausarbeit zu helfen, hatte sie
meine höchste Hochachtung gewonnen. Sie ist raffiniert.«
»Ist es raffiniert, seiner Mutter zu helfen?« fragte Pat
ruhig.
»Natürlich nicht. Nicht, wenn man seiner Mutter helfen
will. Wenn man seine Hilfe jedoch nur anbietet, weil der
gutaussehende junge Sprößling der Saunders-Familie aus
Yale zurück ist, sieht die Sache schon anders aus, nicht
wahr?«
»Meinen Sie sich damit?« Pat lächelte zögernd. Jeremy
Saunders hatte eine gewisse sardonische Art, sich selbst
herabzusetzen, die nicht unattraktiv war.
»Erraten. Ich sehe hin und wieder Bilder von ihr, aber
Bildern kann man nicht trauen, stimmt’s? Abby war
immer sehr fotogen. Wie sieht sie in natura aus?«
»Richtig schön«, sagte Pat.
Saunders wirkte enttäuscht. Er hätte wohl lieber gehört,
daß die Senatorin sich mal das Gesicht liften lassen müßte,
dachte Pat. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß Abigail
mal von Jeremy Saunders angetan war, auch als ganz
junges Mädchen nicht.
»Was ist mit Toby Gorgone?« fragte Saunders. »Spielt
er immer noch seine selbsterwählte Rolle als Abbys
Leibwächter und Sklave?«
»Toby ist für die Senatorin tätig«, antwortete Pat. »Er ist
ihr offensichtlich treu ergeben, und sie scheint sich ganz
auf ihn zu verlassen.« Leibwächter und Sklave, dachte sie,
eine gute Beschreibung für das Verhältnis zwischen Toby
und Abigail Jennings.
»Vermutlich holen sie sich immer noch gegenseitig die
Kastanien aus dem Feuer.«
»Was meinen Sie damit?«
Jeremy winkte ab. »Nichts Bestimmtes. Er hat Ihnen
doch sicher erzählt, wie er Abby vor den Zähnen des
bissigen Hundes bewahrte, den sich unser exzentrischer
Nachbar hielt.«
»Ja, das hat er.«
»Und hat er Ihnen auch erzählt, daß Abby sein Alibi war
für den Abend, als er vermutlich eine wilde Spritztour mit
einem gestohlenen Wagen unternommen hat?«
»Nein, aber sich ein Auto für eine Spritztour
auszuborgen ist ja wohl kein besonders schweres
Vergehen.«
»Das wird es aber, wenn das Polizeiauto bei der
Verfolgung des ›ausgeborgten‹ Wagens außer Kontrolle
gerät und eine junge Mutter mit ihren zwei Kindern
überfährt. Man hatte jemanden, der so aussah wie er, in
der Nähe des Autos herumlungern sehen. Aber Abigail
schwor, sie hätte Toby Nachhilfeunterricht in Englisch
gegeben, hier in diesem Haus. Da stand Abigails Aussage
gegen die eines zweifelhaften Zeugen. Es wurde keine
Anklage erhoben, und der ›Schwarzfahrer‹ wurde nie
geschnappt. Viele Leute fanden es denkbar, daß Toby
Gorgone in diese Sache verwickelt war. Er hatte schon
immer einen Autotick, und das war ein nagelneuer
Sportwagen. Es klang plausibel, daß er eine Runde damit
drehen wollte.«
»Wollen Sie damit sagen, daß die Senatorin seinetwegen
eine Falschaussage gemacht hat?«
»Ich will gar nichts sagen. Aber die Menschen hier in
der Gegend haben ein gutes Gedächtnis, und daß Abigail
im Tone rechtschaffener Überzeugung ausgesagt hat –
unter Eid natürlich – ist eine erwiesene Tatsache. Genau
genommen hätte Toby gar nicht viel passieren können,
wenn er in dem Auto gesessen hätte. Er war noch ein
Jugendlicher, unter sechzehn. Abigail hingegen war
achtzehn, und wenn sie einen Meineid geschworen hätte,
wäre sie eines Verbrechens schuldig. Nun gut, Toby hat an
diesem Abend vielleicht wirklich Partizipien gepaukt. Hat
sich seine Grammatik verbessert?«
»Sie schien mir ganz in Ordnung zu sein.«
»Dann können Sie mit ihm nicht lange gesprochen
haben. Jetzt füllen Sie meine Wissenslücken, was Abigail
angeht. Die unaufhörliche Verblendung,
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