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Das Haus Am Potomac

Das Haus Am Potomac

Titel: Das Haus Am Potomac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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war zitterig, die Buchstaben waren
ungleichmäßig – es bestand ein krasser Gegensatz zu der
festen und anmutigen Handschrift des früheren Briefes.
Pat brauchte ihre ganze Überzeugungskraft, um Margaret
Langley zu überreden, ihr die Briefe zu überlassen.
    »Wir haben vor, diesen Fall in unserer Sendung
aufzugreifen«, sagte sie, »aber selbst wenn Eleanor
wiedererkannt wird und jemand sie anzeigt, können wir
vielleicht erreichen, daß die Haftstrafe wieder ausgesetzt
wird. Dann müßte sie sich nicht mehr für den Rest ihres
Lebens verstecken.«
    »Ich würde sie gerne wiedersehen«, flüsterte Margaret
mit tränenhellen Augen. »Sie ist für mich fast so etwas
wie ein eigenes Kind. Warten Sie – ich möchte Ihnen ein
Bild von ihr zeigen.«
    Im untersten Bücherregal waren Stapel von Jahrbüchern.
»Ich habe eines für jedes Jahr, das ich in der Schule war«,
erklärte sie. »Aber das von Eleanors Jahrgang liegt bei mir
immer obenauf.« Sie blätterte die Seiten um. »Sie hat vor
siebzehn Jahren ihren Schulabschluß gemacht. Sieht sie
nicht süß aus?«
    Das Mädchen auf dem Bild hatte dünnes, mausfarbenes
Haar und sanfte, unschuldig dreinblickende Augen.
Darunter stand:
    Eleanor Brown – Hobby: Malen. Berufswahl: Sekretärin.
Außerschulplanmäßige Betätigung: Chorsingen.
Lieblingssport: Rollschuhlaufen. Voraussage: Rechte
Hand eines Managers, heiratet jung, zwei Kinder.
Vorliebe für: Evening in Paris Parfüm.
    »Mein Gott«, sagte Pat. »Wie gemein.«
»Genau. Darum wollte ich auch, daß sie von hier
fortkommt.«
Pat schüttelte den Kopf, und ihr Blick fiel auf die
anderen Jahrbücher. »Warten Sie einen Moment«, sagte
sie.
»Haben Sie zufällig auch das Buch, in dem Senatorin
Jennings drin ist?«
»Natürlich. Lassen Sie mich mal nachsehen – das müßte
da drüben sein.«
Das zweite Buch, in das Margaret Langley hineinsah,
war das richtige. Auf diesem Foto hatte Abigail einen
Pagenschnitt, der ihr bis auf die Schultern reichte. Sie
hatte die Lippen leicht geöffnet, als hätte sie die
Anweisungen des Fotografen, zu lächeln, befolgt. Ihre
Augen, groß und mit dichten Wimpern, blickten ruhig und
unerforschlich. Darunter stand:
    Abigail Foster (»Abby«) – Hobby: An gesetzgebenden
Versammlungen des Staates teilnehmen. Berufswunsch:
Politikerin. Außerschulplanmäßige Betätigung:
Diskutieren. Voraussage: Mitglied der gesetzgebenden
Körperschaft als Vertreterin für Apple Junction. Vorliebe
für: Alle Bücher in der Bibliothek.
»Mitglied der gesetzgebenden Körperschaft«, rief Pat aus.
»Das ist toll.«
    Eine halbe Stunde später verabschiedete sie sich, das
Jahrbuch der Senatorin unter dem Arm. Als sie ins Auto
stieg, beschloß sie, eine Kamera-Crew nach Apple
Junction zu schicken, damit sie ein paar
Hintergrundaufnahmen von dem Ort machte, unter
anderem auch von der Main Street, dem Haus der
Saunders’, der Oberschule und dem Highway mit dem Bus
nach Albany. Zu diesen Hintergrundaufnahmen sollte sich
aus dem »Off« Senatorin Jennings kurz dazu äußern, wie
es war, hier aufzuwachsen, und zu ihrem frühen Interesse
an Politik. Als Abschluß dieses Teils der Sendung würde
sie das Bild von der Senatorin als Miss New York State
zeigen, dann ihr Bild in dem Jahrbuch und einen
Kommentar von ihr dazu bringen, daß es die wichtigste
Entscheidung in ihrem ganzen Leben war, nach Radcliffe
zu gehen statt nach Atlantic City.
    Mit einem ihr bis dahin unbekannten und
beunruhigenden Gefühl, daß sie die ganze Geschichte
beschönigte, fuhr Pat etwa eine Stunde lang in der Stadt
umher und legte die Drehorte für die Kamera-Crew fest.
Dann zog sie aus dem Apple Motel aus, fuhr nach Albany,
lieferte den Mietwagen wieder ab und trat voller
Erleichterung den Rückflug nach Washington an.

9
    Washington ist schön, dachte Pat, aus jeder Sicht und zu
jeder Tageszeit. Bei Nacht vermitteln einem die
Scheinwerferlichter auf dem Capitol und den Monumenten
ein Gefühl von ruhiger Zeitlosigkeit. Sie war nur dreißig
Stunden fort gewesen, und doch kam es ihr vor, als wären
seit ihrem Abflug von hier Tage vergangen. Das Flugzeug
landete ein wenig ruckhaft und rollte weich über das
Flugfeld.
    Als Pat die Haustür öffnete, hörte sie das Telefon läuten
und hastete hin. Es war Luther Pelham. Er klang gereizt.
»Pat, gut, daß ich Sie erreiche. Sie haben mir überhaupt
nicht Bescheid gesagt, wo Sie in Apple Junction
abgestiegen sind. Als ich es endlich

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