Das Haus Am Potomac
Gründen
entlassen, aber nur unter der Bedingung, daß sie zweimal
wöchentlich als ambulante Patientin in die Klinik kam.
Eines Tages blieb sie einfach weg. Das ist jetzt neun Jahre
her.«
»Und Sie haben seither nie wieder von ihr gehört?«
»Ich … Nein … Hm …« Margaret stand auf.
»Entschuldigen Sie – möchten Sie nicht noch etwas
Kaffee? Da ist noch jede Menge in der Kanne. Ich werde
mir noch einen nehmen. Das sollte ich zwar nicht, aber ich
tu’s.« Mit einem gequälten Lächeln verschwand Margaret
in die Küche. Pat schaltete den Recorder aus. Sie hat von
Eleanor gehört, dachte sie, und bringt es nicht fertig, zu
lügen. Als Miss Langley zurückkam, fragte Pat ruhig:
»Was wissen Sie heute über Eleanor?«
Margaret Langley setzte die Kaffeekanne auf dem Tisch
ab und ging zum Fenster hinüber. Würde sie Eleanor
schaden, wenn sie sich Pat Traymore anvertraute? Würde
sie sie auf eine Spur bringen, die zu Eleanor führen
könnte?
Ein einsamer Spatz flatterte am Fenster vorbei und saß
dann wie verloren auf dem vereisten Zweig einer Ulme in
der Nähe der Einfahrt. Margaret faßte einen Entschluß.
Sie wollte Patricia Traymore vertrauen, ihr die Briefe
zeigen, ihr sagen, was sie glaubte. Sie drehte sich um,
begegnete Pats Blick und bemerkte den besorgten
Ausdruck in ihren Augen.
»Ich will Ihnen etwas zeigen«, sagte sie abrupt.
Als Margaret Langley wieder ins Zimmer kam, hielt sie
in beiden Händen ein zusammengefaltetes Blatt Papier.
»Ich habe zweimal von Eleanor gehört«, sagte sie. »Dieser
Brief –«, sie streckte ihr die rechte Hand entgegen, »wurde
am selben Tag geschrieben, an dem der Diebstahl
stattgefunden haben soll. Lesen Sie ihn, Miss Traymore;
lesen Sie ihn.«
Das cremefarbene Briefpapier war stark zerknittert, als
wäre es häufig in die Hand genommen worden. Pat warf
einen Blick auf das Datum. Der Brief war elf Jahre alt. Pat
überflog kurz, was darin stand. Eleanor brachte ihre
Hoffnung zum Ausdruck, daß Miss Langley ihren Urlaub
in Europa genoß; Eleanor war befördert worden und liebte
ihre Arbeit. Sie nahm Malunterricht an der George
Washington University und machte gute Fortschritte. Sie
war gerade aus Baltimore zurück, wo sie einen
Nachmittag verbracht hatte. Sie hatte die Aufgabe gestellt
bekommen, ein Gewässer zu malen, und hatte sich für die
Chesapeake Bay entschieden.
Miss Langley hatte einen Absatz unterstrichen. Er
lautete:
Beinahe hätte ich es nicht geschafft, dahin zu kommen. Ich
hatte noch einen Auftrag zu erledigen für Senatorin
Jennings. Sie hatte ihren Ring im Wahlkampfbüro
liegenlassen und glaubte, daß man ihn für sie im Safe
eingeschlossen hätte. Aber da war er nicht, und ich habe
es eben noch zu meinem Bus geschafft.
Das sollte ein Beweis sein? dachte Pat. Sie sah auf, und
ihre Augen begegneten Margaret Langleys
hoffnungsvollem Blick. »Verstehen Sie nicht?« fragte
Margaret. »Eleanor hat mir genau an dem Tag
geschrieben, an dem der Diebstahl stattgefunden haben
soll. Warum hätte sie diese Geschichte erfinden sollen?«
Pat fiel nichts ein, womit sie das hätte abmildern können,
was sie zu sagen hatte. »Sie hat sich vielleicht ein Alibi
aufgebaut.«
»Wenn man sich ein Alibi aufbauen will, schreibt man
nicht an jemanden, der den Brief vielleicht erst Monate
später erhält«, sagte sie hitzig. Dann seufzte sie. »Nun gut,
ein Versuch von mir. Ich hoffe nur, Sie haben die Güte,
nicht wieder diese elendige Geschichte aufzurühren.
Eleanor versucht offenbar, irgendwie mit ihrem Leben
zurechtzukommen, und sie hat es verdient, daß man sie in
Ruhe läßt.«
Pat blickte auf den anderen Brief, den Margaret noch in
der Hand hielt. »Sie hat Ihnen geschrieben, nachdem sie
untergetaucht ist?«
»Ja. Vor sechs Jahren bekam ich dies hier.«
Pat nahm den Brief. Die Schrifttypen waren abgenutzt,
das Papier billig. Der Text lautete:
Liebe Miss Langley! Bitte haben Sie Verständnis dafür,
daß ich mit niemandem aus meiner Vergangenheit Kontakt
haben möchte. Wenn man mich findet, muß ich zurück ins
Gefängnis. Ich schwöre Ihnen, daß ich dies Geld nicht
angerührt habe. Ich war sehr krank, versuche nun aber,
mir ein neues Leben aufzubauen. An manchen Tagen geht
es. Ich kann kaum glauben, daß sich alles wieder zum
Guten wendet. Dann quält mich wieder Angst, Furcht, daß
mich jemand wiedererkennen könnte. Ich denke oft an Sie,
voller Herzlichkeit. Sie fehlen mir.
Eleanors Unterschrift
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