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Das Haus Am Potomac

Das Haus Am Potomac

Titel: Das Haus Am Potomac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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hatte etwas sehr Rücksichtsvolles an sich,
so sorgfältig, wie sie die Stiefel abtrat, bevor sie auf den
blank polierten Boden trat. Sie war sehr hübsch mit ihrem
kastanienbraunen Haar und den dunkelbraunen Augen.
Margaret hatte erwartet, daß sie schrecklich aggressiv
wäre. Vielleicht würde Patricia Traymore ihr zuhören,
wenn sie ihr von Eleanor erzählte. Als sie ihr Kaffee
eingoß, äußerte sie sich dementsprechend.
    »Wissen Sie«, begann Margaret, und in ihren Ohren
klang ihre Stimme schrill und nervös, »das Problem war,
daß damals, als das Geld in Washington verschwand, alle
über Eleanor sprachen, als wäre sie eine notorische
Diebin. Miss Traymore, haben Sie mal gehört, was dieser
Gegenstand wert war, den sie gestohlen haben soll, als sie
noch in der High School war?«
    »Nein, ich glaube nicht«, antwortete Pat.
» Sechs Dollar. Ihr Leben wurde ruiniert wegen einer
    Flasche Parfüm im Wert von sechs Dollar! Miss
Traymore, ist es Ihnen noch nie passiert, daß Sie sich
anschickten, aus einem Warenhaus hinauszugehen, und
plötzlich merkten, daß Sie etwas in der Hand hatten, das
Sie kaufen und auch bezahlen wollten?«
    »Doch, mehrfach«, gab Pat zu. »Aber es wird ja wohl
niemand wegen Ladendiebstahls verurteilt, nur weil er
geistesabwesend einen Gegenstand im Gegenwert von
sechs Dollar hat mitgehen lassen.«
»Doch, wenn es in letzter Zeit eine Flut von
    Ladendiebstählen gegeben hat. Die Geschäftsinhaber
waren mächtig aufgebracht, und der Bezirksanwalt hatte
geschworen, an dem nächsten, der beim Diebstahl
erwischt würde, ein Exempel zu statuieren.«
    »Und Eleanor wurde als nächste erwischt?«
»Ja.« Feine Schweißtropfen unterstrichen die Runzeln
auf Margarets Stirn. Voller Entsetzen bemerkte Pat, wie
ihr Gegenüber aschfahl im Gesicht wurde.
»Miss Langley, fühlen Sie sich nicht wohl? Soll ich
Ihnen ein Glas Wasser holen?«
    Die alte Dame schüttelte den Kopf. »Nein, es geht schon
vorüber. Gedulden Sie sich nur eine Minute.«
Während sie schweigend dasaßen, bekam Miss Langley
allmählich wieder Farbe im Gesicht.
»Jetzt ist es besser. Ich glaube, es regt mich bloß auf,
über Eleanor zu sprechen. Wissen Sie, Miss Traymore, der
Richter hat an Eleanor ein Exempel statuiert; er hat sie für
dreißig Tage ins Jugendgefängnis gesteckt. Danach war
sie wie umgewandelt. Ein anderer Mensch. Manche
Menschen können eine derartige Demütigung nicht
ertragen. Wissen Sie, niemand glaubte ihr, außer mir. Ich
kenne die jungen Leute. Sie neigte nicht zu Dreistigkeit.
Sie gehörte zu der Sorte, die nie im Unterricht Kaugummi
kaut oder schwatzt, wenn der Lehrer nicht in der Klasse
ist, oder bei Prüfungen mogelt. Sie war nicht nur
tugendhaft. Sie war ängstlich .«
Margaret Langley verschwieg etwas. Das konnte Pat
spüren. Sie beugte sich vor und sagte mit sanfter Stimme:
»Miss Langley, an dieser Sache ist noch ein wenig mehr,
als Sie bisher erzählt haben.«
Die Lippen der Frau zitterten. »Eleanor hatte nicht genug
Geld bei sich, um das Parfüm zu bezahlen. Sie erklärte, sie
hätte es einpacken und zurücklegen lassen wollen. Sie
wollte am Abend zu einer Geburtstagsfeier gehen. Der
Richter hat ihr nicht geglaubt.«
Hätte ich auch nicht, dachte Pat. Sie war ein wenig
traurig, weil sie die Erklärung nicht akzeptieren konnte, an
die Margaret Langley so inbrünstig glaubte. Sie
beobachtete die frühere Direktorin, wie sie ihre Hand an
den Hals legte, wie um einen beschleunigten Pulsschlag zu
beruhigen. »Dies süße Ding ist so viele Abende zu mir
gekommen«, fuhr Margaret Langley traurig fort, »weil es
wußte, daß ich die einzige war, die ihm völlig glaubte.
Nach Eleanors Schulabschluß schrieb ich an Abigail und
fragte sie, ob sie bei sich im Büro eine Stelle für sie hätte.«
»Und ist es nicht so, daß die Senatorin Eleanor diese
Chance gegeben und ihr vertraut hat und daß Eleanor dann
Wahlkampfgelder gestohlen hat?« fragte Pat.
Margarets Gesicht nahm einen sehr müden Ausdruck an.
Ihre Stimme klang gedämpfter. »Als das geschah, hatte ich
ein Jahr Studienurlaub. Ich reiste in Europa umher. Bei
meiner Rückkehr war schon alles vorbei. Eleanor war
bereits verurteilt und ins Gefängnis gesteckt und hatte
schon ihren Nervenzusammenbruch gehabt. Sie lag auf der
psychiatrischen Station des Gefängniskrankenhauses. Ich
schrieb ihr regelmäßig, aber sie antwortete nie. Dann
wurde sie, soweit ich weiß, aus gesundheitlichen

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