Das Haus Am Potomac
Ausweg auszuhecken.
Ich hatte gerade in Yale graduiert und sollte in das
Geschäft meines Vaters einsteigen – eine Aussicht, die
mich nicht besonders reizte; ich war drauf und dran, mich
mit der Tochter des besten Freundes meines Vaters zu
verloben – keine sehr verlockende Vorstellung für mich.
Und da war Abigail, gleich hier bei uns im Hause, erzählte
mir, was ich an ihrer Seite werden könnte, schlüpfte
nachts, wenn es dunkel war, zu mir ins Bett, während die
arme, müde Francey Foster in ihrer Dienstbotenwohnung
lag und schnarchte. Das Ergebnis war, daß ich Abigail ein
hübsches Kleid kaufte, in ihrer Begleitung zum CountryClub-Tanzfest ging und ihr einen Heiratsantrag machte.
Als wir nach Hause kamen, weckten wir unsere Eltern,
um ihnen die frohe Neuigkeit mitzuteilen. Können Sie sich
vorstellen, was hier los war? Meine Mutter, der es
Vergnügen bereitete, Abigail zu befehlen, den
Hintereingang zu benutzen, mußte mitansehen, wie all ihre
Pläne für ihren einzigen Sohn sich in nichts auflösten.
Vierundzwanzig Stunden später verließ Abigail die Stadt
mit einem von meinem Vater ausgestellten und von seiner
Bank bestätigten Scheck über zehntausend Dollar und mit
Taschen voller Garderobe, die ihr Leute aus der Stadt
geschenkt hatten. Sie war in Radcliffe schon zum
Stipendium zugelassen, wissen Sie. Ihr hatte nur noch das
Geld gefehlt, um dieses famose College zu besuchen.
Ich bin ihr dorthin nachgereist. Sie hat mir in aller
Deutlichkeit zu verstehen gegeben, daß alles, was mein
Vater über sie sagte, richtig sei. Mein Vater hat mich bis
zu seinem Tode niemals vergessen lassen, wie sehr ich
mich zum Narren gemacht hatte. Nach fünfunddreißig
Jahren Ehe wird Evelyn immer noch giftig, sobald sie den
Namen Abigail hört. Und was meine Mutter anging, so hat
sie zwar die Genugtuung gehabt, daß sie Francey Foster
aus dem Haus gejagt hat – sich jedoch damit nur ins
eigene Fleisch geschnitten. Danach haben wir nie wieder
eine ordentliche Köchin gehabt.«
Als Pat auf Zehenspitzen aus dem Zimmer schlich,
schlief Jeremy Saunders: der Kopf war ihm auf die Brust
gesunken. Es war fast ein Viertel vor zwei. Es fing wieder
an, sich zu bewölken, als ob noch mehr Schnee zu
erwarten sei. Unterwegs zu ihrer Verabredung mit
Margaret Langley, der pensionierten Schuldirektorin,
fragte sie sich, inwieweit Jeremy Saunders’ Darstellung
von der jungen Abigail Foster-Jennings und deren
Verhaltensweise wohl der Wahrheit entsprach. Zu
gemeinen Machenschaften fähig? Intrigantin? Lügnerin?
Was auch immer, es paßte nicht zu dem Bild absoluter
Integrität, dem Grundstein der öffentlichen Karriere der
Senatorin Abigail Jennings.
8
Um Viertel vor zwei setzte Margaret Langley ganz gegen
ihre sonstige Gewohnheit eine neue Kanne Kaffee auf,
obwohl sie genau wußte, daß sie wahrscheinlich später
von den brennenden Schmerzen ihrer Gastritis geplagt
würde.
Wie immer, wenn sie erregt war, ging sie in ihr
Arbeitszimmer, um Trost bei den samtgrünen Blättern der
Hängepflanzen an dem großen Panoramafenster zu
suchen. Sie war gerade dabei gewesen, noch einmal die
Sonette von Shakespeare zu lesen und ihre Tasse Kaffee
nach dem Frühstück zu trinken, als Patricia Traymore
angerufen und um Erlaubnis gebeten hatte, sie zu
besuchen.
Margaret schüttelte nervös den Kopf. Sie war
dreiundsiebzig und ging leicht gebückt. Ihr graues Haar
war wellig um den Kopf gelegt und im Nacken zu einem
kleinen Knoten zusammengebunden. Ihr langes, ziemlich
grobes Gesicht wurde durch einen Ausdruck von
gutmütiger Weisheit vor Häßlichkeit bewahrt. Auf ihrer
Bluse trug sie die Anstecknadel, die sie bei ihrer
Pensionierung von der Schule geschenkt bekommen hatte
– ein goldener Lorbeerkranz, der um die Zahl 45
geflochten war, die für ihre Dienstjahre als Lehrerin und
Direktorin stand.
Um zehn Minuten nach zwei begann sie gerade
Hoffnung zu schöpfen, daß Patricia Traymore es sich
anders überlegt hatte und nicht bei ihr vorbeikommen
werde, als sie ein kleines Auto langsam die Straße
entlangfahren sah. Die Fahrerin hielt bei ihrem Briefkasten
an, wahrscheinlich um nachzusehen, ob es das richtige
Haus war. Widerstrebend ging Margaret zur Haustür.
Pat entschuldigte sich für ihr Zuspätkommen. »Ich bin
irgendwo falsch abgebogen«, sagte sie und nahm gerne die
Einladung zu einer Tasse Kaffee an.
Margaret spürte, wie sich ihre Angst allmählich legte.
Die junge Frau
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