Das Haus Am Potomac
hoch. Sein Mund preßte sich auf ihren; er
versuchte seine Zunge zwischen ihre Lippen zu drängen.
Sie versuchte sich zu befreien, aber er hielt sie
schraubstockartig umklammert. Schließlich konnte sie ihm
ihre Ellbogen in den Brustkorb rammen. »Lassen Sie mich
los!«
Er lächelte. »Pat, wollen Sie mir nicht den Rest des
Hauses zeigen?«
Was er damit meinte, war nicht mißzuverstehen. »Es ist
schon ziemlich spät«, sagte sie, »aber auf dem Weg nach
draußen können Sie noch einen Blick in die Bibliothek
und ins Eßzimmer werfen. Noch lieber wäre es mir
allerdings, Sie würden damit warten, bis ich Gelegenheit
hatte, Bilder aufzuhängen und so.«
»Wo ist Ihr Schlafzimmer?«
»Oben.«
»Ich würde es gerne sehen.«
»Um ehrlich zu sein, selbst wenn es fertig eingerichtet
ist, hätte ich gerne, daß Sie an die erste Etage dieses
Hauses denken wie in Ihren jungen Jahren in New York an
die erste Etage des Mädchenwohnhauses: Männlichen
Besuchern ist der Zutritt nicht gestattet.«
»Mir wäre es lieber, Sie würden nicht scherzen, Pat.«
»Und mir wäre es lieber, wir könnten diese Unterhaltung
als Scherz betrachten. Sonst kann ich es auch anders
ausdrücken. Ich schlafe nicht mit Ihnen, weder während
der Arbeit noch danach. Nicht heute abend. Nicht morgen.
Auch nicht nächstes Jahr.«
»Ich verstehe.«
Sie ging ihm voraus durch den Flur. Im Foyer reichte sie
ihm seinen Mantel.
Während er ihn anzog, lächelte er säuerlich. »Menschen,
die ein solches Problem mit Schlaflosigkeit haben wie Sie,
sind manchmal nicht in der Lage, mit
verantwortungsvollen Aufgaben fertig zu werden«, sagte
er. »Sie stellen oftmals fest, daß sie glücklicher bei einem
kleinen Hinterwäldlersender sind als bei dem besten
überhaupt. Gibt es in Apple Junction einen Sender?
Vielleicht wollen Sie das mal nachprüfen, Pat.«
Pünktlich um zehn vor sechs trat Toby durch die
Hintertür in Abigails Haus in McLean, Virginia. Die große
Küche war voller Gerätschaften einer Gourmetköchin. Um
sich abends zu entspannen, kochte Abigail am liebsten. Je
nach Stimmung bereitete sie sechs oder sieben
verschiedene Vorspeisen oder Fisch- oder Fleischaufläufe.
An einem anderen Abend wiederum bereitete sie ein
halbes Dutzend verschiedene Saucen oder buk Brötchen
und Kuchen, die einem auf der Zunge zergingen.
Anschließend packte sie alles in die Gefriertruhe. Aber
wenn sie eine Party hatte, gab sie nie zu, daß sie alle
Speisen selber zubereitet hatte. Sie haßte es, mit dem Wort
»Köchin« in Verbindung gebracht zu werden.
Abigail selbst aß sehr wenig. Toby wußte, daß sie voller
Schrecken an ihre Mutter zurückdachte, die arme alte
Francey, diese keuchende, tonnenförmige Frau, deren
stämmige Beine in so klobigen Fesseln und Füßen
endeten, daß es schwer war, passende Schuhe für sie zu
finden.
Toby hatte ein Apartment über der Garage. Beinahe
jeden Morgen kam er herüber, stellte die Kaffeemaschine
an und preßte frischen Saft aus. Später, nachdem er Abby
im Büro abgesetzt hatte, frühstückte er üppig, und wenn
sie ihn nicht brauchte, suchte er sich meist eine
Pokerrunde.
Als Abigail die Küche betrat, war sie noch damit
beschäftigt, eine halbmondförmige goldene Brosche an
ihrem Revers zu befestigen. Sie trug ein purpurrotes
Kostüm, das das Blau ihrer Augen betonte.
»Du siehst toll aus, Abby«, erklärte er.
Ihr Lächeln war flüchtig und im Nu wieder
verschwunden. Immer wenn Abby im Senat eine große
Rede halten wollte, war sie so – gereizt wie ein Tiger,
bereit, sich über alles aufzuregen, das schief ging. »Wir
wollen keine Zeit mit Kaffeetrinken vertrödeln«, sagte sie
kurz angebunden.
»Du hast noch viel Zeit«, versicherte Toby ihr. »Ich
werde dich bis sechs Uhr dreißig da abliefern. Trink
deinen Kaffee. Du weißt doch, wie nörgelig du sonst
wirst.«
Später stellte er die beiden Tassen einfach ins
Spülbecken, da er wußte, wie nervös Abby würde, wenn er
sich noch die Zeit nähme, sie auszuspülen.
Das Auto stand vor dem Vordereingang. Als Abby ihren
Mantel und Aktenkoffer holen ging, eilte er hinaus und
stellte die Heizung an.
Um zehn nach sechs waren sie unterwegs. Selbst für
einen Tag, an dem sie eine Rede hielt, war Abby
ungewöhnlich verkrampft. Sie war am Abend vorher früh
zu Bett gegangen. Er fragte sich, ob sie hatte schlafen
können.
Er hörte, wie Abby seufzte und ihren Aktenkoffer
zuschlug. »Wenn ich bis jetzt noch nicht weiß, was
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