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Das Haus Am Potomac

Das Haus Am Potomac

Titel: Das Haus Am Potomac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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von dem Drohbrief fernzuhalten versucht.«
»Ist Ihnen je in den Sinn gekommen, mich anzurufen
statt der Polizei? Ehrlich gesagt, habe ich Ihnen mehr
Grips zugetraut, als Sie letzte Nacht bewiesen haben. Wir
hätten Ihr Haus von Privatdetektiven beobachten lassen
können. Wahrscheinlich ist das ein harmloser Verrückter,
aber die brennende Frage in Washington wird lauten: Wer
haßt Abigail so sehr?«
Er hatte recht. »Tut mir leid«, wiederholte Pat. Dann
fügte sie hinzu: »Aber wenn man merkt, daß bei einem
eingebrochen worden ist, und man sich fragt, ob so ein
Verrückter vielleicht nur einige Schritte von einem
entfernt auf der Terrasse steht, ist es, glaube ich, eine ganz
normale Reaktion, daß man die Polizei ruft.«
»Es hat keinen Sinn, weiter darüber zu reden, solange
wir nicht den Schaden abschätzen können. Haben Sie sich
Abigails Filme angesehen?«
»Ja. Und ich habe ganz hervorragendes Material
gefunden und vorgemerkt.«
»Sie haben Abigail doch nicht erzählt, daß Sie in Apple
Junction waren?«
»Nein.«
»Nun, wenn Sie schlau sind, lassen Sie das auch bleiben!
Das wäre genau das, was ihr jetzt noch fehlte!«
Luther legte ohne Abschiedsgruß auf.
    Arthur hatte die Angewohnheit, pünktlich morgens um
acht zum Bäcker zu gehen, um noch warme frische
Brötchen zu kaufen, und anschließend die Morgenzeitung
zu holen. An diesem Tag machte er es umgekehrt. Er war
so neugierig, ob in der Zeitung etwas über den Einbruch
stand, daß er erst zu dem Zeitungsstand ging.
    Da stand es ja auch schon, gleich auf der ersten Seite. Er
las die Geschichte Wort für Wort genießerisch durch, dann
runzelte er die Stirn. Da stand nichts über die Raggedy
Ann -Puppe. Mit der Puppe hatte er ihnen klarmachen
wollen, daß in diesem Haus schon einmal eine Gewalttat
geschehen war und daß sich erneut eine ereignen könnte.
    Er kaufte zwei Mohnbrötchen, ging die drei Blocks zu
dem schiefen Holzhaus zurück und stieg zu der tristen
Wohnung im ersten Stock hinauf. Nur eine halbe Meile
weiter war die King Street mit ihren teuren Restaurants
und Geschäften, aber diese Ecke war baufällig und
schäbig.
    Die Tür zu Glorys Schlafzimmer stand offen, und er
konnte sehen, daß sie schon angezogen war und ihren
leuchtend roten Sweater und Jeans anhatte. Sie hatte sich
in letzter Zeit mit einem Mädchen bei ihr im Büro
angefreundet, einem schamlosen Ding, das Glory
beigebracht hatte, sich zu schminken, und sie überredet
hatte, sich die Haare schneiden zu lassen.
    Sie blickte nicht einmal auf, obwohl sie gehört haben
mußte, wie er hereinkam. Er seufzte. Glory wurde ihm
gegenüber immer kühler, auch ungeduldiger. Wie letzte
Nacht, als er ihr zu erzählen versucht hatte, wie schwer es
der alten Mrs. Rodriguez gefallen war, ihre Medizin zu
schlucken, und wie er ihre Pille aufbrechen und ihr
zusammen mit etwas Brot geben mußte, um den
Geschmack zu überdecken. Glory hatte ihn unterbrochen.
    »Vater, können wir nie über etwas anderes reden als
über das Pflegeheim?« Und dann war sie mit ein paar
Freundinnen aus dem Büro ins Kino gegangen.
Er legte die Brötchen auf die Teller und goß Kaffee ein.
»Frühstück ist fertig«, sagte er.
    Glory kam in die Küche gelaufen. Sie hatte schon ihren
Mantel an und ihre Handtasche unterm Arm, als könnte sie
es nicht erwarten, fortzukommen.
    »Hallo«, sagte er leise. »Mein kleines Mädchen sieht
heute sehr hübsch aus.«
Gloria lächelte nicht.
»Wie war der Film?« erkundigte er sich.
»Ganz gut. Hör mal, für mich brauchst du kein Brötchen
mehr zu holen. Ich frühstücke im Büro zusammen mit den
anderen.«
Das traf ihn schwer. Er liebte es, mit Glory gemeinsam
zu frühstücken, bevor sie zur Arbeit aufbrachen.
Sie mußte gespürt haben, wie enttäuscht er war, denn sie
blickte ihn direkt an, und der Ausdruck in ihren Augen
wurde weicher. »Du bist so gut zu mir«, sagte sie, und ihre
Stimme klang dabei ein wenig traurig.
Viele lange Minuten, nachdem sie fort war, saß er noch
da und starrte ins Leere. Die letzte Nacht hatte ihn
mitgenommen. Nach all diesen Jahren wieder in dem Haus, in dem Zimmer – um Glorys Puppe genau an
dieselbe Stelle zu legen, wo damals das Kind war … Als
die Puppe fertig dasaß, das rechte Bein abgeknickt und
untergeschlagen, war es ihm fast so vorgekommen, als
würde er, wenn er sich umdrehte, wieder die Leichen von
dem Mann und von der Frau da liegen sehen.

13
    Nach Luthers Anruf stand

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