Das Haus Am Potomac
ihnen gefolgt. Laß es
nur nicht die Presse sein, betete sie. Aber sie war es.
Sie machten Fotos von der herausgebrochenen Scheibe,
suchten das Grundstück ab, suchten das Wohnzimmer
nach Fingerabdrücken ab.
Der Drohbrief ließ sich schwer erklären. »Er war an
irgend etwas angeheftet«, stellte der Polizist fest. »Wo
haben Sie ihn gefunden?«
»Direkt hier am Kamin.« Das stimmte ja auch.
Der Reporter war von der Tribune. Er bat darum, den
Drohbrief sehen zu dürfen.
»Mir wäre es lieber, er würde nicht veröffentlicht«, sagte
Pat nachdrücklich. Aber er bekam die Erlaubnis, ihn zu
lesen.
»Was heißt ›Letzte Warnung‹?« fragte der Polizist.
»Haben Sie vorher schon andere bekommen?«
Sie erzählte ihm von den beiden Anrufen und dem Brief,
den sie in der ersten Nacht gefunden hatte, ließ aber die
Sache mit »diesem Haus« aus.
»Diese hier ist nicht unterzeichnet«, meinte der Detektiv.
»War es die andere?«
»Ich habe sie nicht mehr. Sie war auch nicht
unterzeichnet.«
»Aber am Telefon hat er sich als Racheengel
bezeichnet?«
»Er sagte so etwas wie ›Ich bin ein Engel der
Barmherzigkeit, der Erlösung und der Rache.‹«
»Hört sich an, als wäre er ein echter Spinner«, bemerkte
der Polizist. Er sah sie scharf an. »Merkwürdig, daß er
sich diesmal die Mühe gemacht hat einzubrechen. Warum
hat er nicht einfach wieder einen Umschlag unter der Tür
durchgeschoben?«
Pat beobachtete voller Verzweiflung, wie der Reporter
sich kritzelnd Notizen machte.
Endlich war die Polizei fertig und abfahrtbereit. Die
Oberflächen der Tische im Wohnzimmer waren alle mit
dem Pulver für Fingerabdrücke verschmiert. Die
Terrassentüren waren mit Draht zusammengeklammert, so
daß sie sich nicht öffnen ließen, bis einen neue Scheibe
eingesetzt war.
Es war unmöglich, ins Bett zu gehen. Sie kam zu dem
Schluß, es würde ihr vielleicht helfen, sich zu entspannen,
wenn sie im Wohnzimmer staubsaugte. Während sie
arbeitete, wurde sie den Gedanken an die entstellte Raggedy Ann -Puppe nicht los. Die Kleine war in das
Zimmer gelaufen … und gestolpert … sie fiel über etwas
Weiches, und ihre Hände wurden naß und klebrig … und
die Kleine blickte auf und sah …
Was habe ich gesehen? fragte Pat sich verbissen. Was
habe ich gesehen?
Ihre Hände arbeiteten automatisch, staubsaugten das
schmierige Pulver, polierten anschließend die schönen
alten Holztische mit einem ölgetränkten Lederlappen,
stellten Nippes zur Seite, hoben und schoben Möbel. Auf
dem Teppich lagen kleine Matsch- und Schmutzklumpen
von den Schuhen der Polizisten.
Sie begann, die Möbel wieder an ihre alte Stelle zu
rücken. Nein, nicht dahin; der Tisch gehörte an die kürzere
Wand, die Lampe auf den Flügel, der Sessel in die Nähe
der Terrassentür.
Erst als sie damit fertig war, wurde ihr klar, was sie
gemacht hatte.
Der Sessel. Die Umzugsleute hatten ihn zu nahe an den
Flügel gestellt.
Sie war durch den Flur ins Zimmer gelaufen. Sie schrie
»Daddy, Daddy …« Sie stolperte über den Körper ihrer
Mutter. Ihre Mutter blutete. Sie blickte auf, und dann …
Und dann – nur Dunkelheit …
Es war fast drei. Sie konnte diese Nacht nicht mehr
darüber nachdenken. Sie war erschöpft, und ihr tat das
Bein weh. Ihr Humpeln wäre jedem aufgefallen, als sie
nun den Staubsauger zum Abstellraum zog und die Treppe
hinaufstieg, Um acht läutete das Telefon. Der Anruf kam
von Luther Pelham. Obwohl sie noch ganz benommen
war, weil sie aus tiefem Schlaf kam, merkte Pat gleich,
daß er wütend war.
»Pat, ich habe gehört, bei Ihnen ist letzte Nacht
eingebrochen worden. Geht es Ihnen gut?«
Sie blinzelte, versuchte die Schlaftrunkenheit aus ihren
Augen und ihrem Gehirn zu verscheuchen. »Ja.«
»Sie haben es geschafft, auf die erste Seite der Tribune zu kommen. Es ist eine ganz schöne Schlagzeile:
›Nachrichtenmoderatorin bedroht‹. Lassen Sie mich Ihnen
den ersten Absatz vorlesen:
›Nachdem die bekannte Fernsehmoderatorin Patricia
Traymore in letzter Zeit bereits eine ganze Reihe
merkwürdiger Drohungen erhalten hatte, wurde gestern
bei ihr eingebrochen. Die Drohungen stehen in
Verbindung mit der Dokumentarsendung: ›Ein Profil der
Senatorin Abigail Jennings‹, die Miss Traymore
produziert und moderiert und die nächsten Mittwoch von
Potomac Cable Television ausgestrahlt werden soll. Das
ist genau die Art von Publicity, die Abigail braucht!«
»Tut mir leid«, stammelte Pat. »Ich habe den
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