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Das Haus Am Potomac

Das Haus Am Potomac

Titel: Das Haus Am Potomac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Seiten des Albums gaben mehr her. Sie stieß
auf die Vergrößerung eines Fotos, auf dem die junge
Abigail mit Willard auf einer Decke an einem See saß. Er
las ihr etwas vor. Es war ein idyllisches Bild; sie sahen aus
wie zwei Liebende auf einer viktorianischen Kamee.
Es gab noch einige weitere Schnappschüsse, die sich
vielleicht für eine Montage eigneten. Schließlich hatte sie
alles gesichtet und bückte sich, um die heruntergefallenen
Bilder aufzuheben. Unter einem lag ein
zusammengefaltetes Blatt eines teuren Briefpapiers. Sie
öffnete es. Da stand:
    Billy, Darling. Du warst großartig bei den Hearings heute
nachmittag. Ich bin so stolz auf Dich. Ich liebe Dich so
sehr und freue mich darauf, ein Leben lang mit Dir
zusammenzusein, mit Dir gemeinsam zu arbeiten. Oh,
mein Liebster, wir werden diese Welt wirklich verändern.
A.
    Der Brief war am 13. Mai geschrieben. Am 20. Mai
starb Willard Jennings unterwegs zu einer Ansprache, die
er anläßlich einer feierlichen Verleihung akademischer
Grade halten sollte.
    Was für einen tollen Schluß gäbe das her! dachte Pat
frohlockend. Das würde allen den Mund stopfen, die die
Senatorin für kalt und gefühllos hielten. Wenn sie nur
Luther dazu überreden könnte, sie den Brief in der
Sendung vorlesen zu lassen. Wie würde sich das anhören?
»Billy, Darling«, las sie laut, »es tut mir so leid …«
    Ihre Stimme brach. Was ist los mit mir? fragte sie sich
ungehalten. Entschlossen begann sie noch einmal. »Billy,
Darling. Du warst großartig …«

16
    Am dreiundzwanzigsten Dezember um zwei Uhr
nachmittags saß Abigail Jennings zusammen mit Toby
und Philip bei sich zu Hause in der Bibliothek und sah
sich die Fernsehübertragung an, in der der Vizepräsident
der Vereinigten Staaten dem Präsidenten feierlich seinen
Rücktritt anbot.
    Mit trockenen Lippen, die Fingernägel in die
Handflächen gekrallt, verfolgte Abigail, wie der
Vizepräsident, aschfahl im Gesicht und offensichtlich
todkrank, gegen Kissen gelehnt in seinem
Krankenhausbett saß und mit erstaunlich kräftiger Stimme
sagte: »Ich hatte gedacht, ich könne meine Entscheidung
noch bis zum Ersten des kommenden Jahres hinauszögern.
Ich habe jedoch das Gefühl, daß es einfach meine Pflicht
ist, dieses Amt niederzulegen und die Nachfolgeregelung
in der Regierungsspitze unseres großen Landes nicht zu
gefährden. Ich bin dankbar für das Vertrauen, das der
Präsident und meine Partei mir gegenüber damit zum
Ausdruck gebracht haben, daß sie mich zweimal zum
Vizepräsidentschaftskandidaten vorgeschlagen haben. Und
ich bin den Menschen der Vereinigten Staaten dankbar,
daß sie mir Gelegenheit gegeben haben, ihnen zu dienen.«
    Der Präsident nahm mit tiefstem Bedauern den Rücktritt
seines alten Freundes und Mitarbeiters an. Auf die Frage,
ob er sich schon Gedanken über einen Amtsnachfolger
gemacht habe, antwortete er: »Ich habe einige
Vorstellungen.« Aber er lehnte es ab, etwas zu den
Namen, die die Presseleute nannten, zu sagen.
Toby pfiff leise. »Nun ist es passiert, Abby.«
     
»Senatorin, merken Sie sich meine Worte …« begann
    Philip.
»Ruhig und hören Sie zu!« herrschte sie die beiden an.
    Nach der Beendigung der Übertragung aus dem
Krankenhauszimmer kam Luther Pelham in der
Nachrichtenzentrale von Potomac Cable ins Bild.
    »Ein historischer Augenblick«, begann Luther. Mit
würdiger Zurückhaltung gab er einen kurzen
geschichtlichen Überblick über das Amt des
Vizepräsidenten und kam dann zur Sache. »Es wird Zeit,
daß eine Frau in dieses hohe Amt gewählt wird … eine
Frau mit der nötigen Erfahrung und bewährtem
fachmännischem Geschick. Herr Präsident, wählen Sie sie jetzt.«
    Abigail lachte schrill. »Damit meint er mich.«
Das Telefon begann zu läuten.
»Das werden Reporter sein. Ich bin nicht zu Hause«,
sagte sie.
    Eine Stunde später wartete die Presse immer noch
draußen vor Abigails Haus. Schließlich erklärte sie sich zu
einem Interview bereit. Äußerlich war sie ruhig. Sie
erklärte, sie sei mit den Vorbereitungen für ein
Weihnachtsessen mit Freunden beschäftigt. Auf die Frage,
ob sie damit rechne, zur Vizepräsidentin ernannt zu
werden, antwortete sie amüsiert:
    »Nun, daß ich dazu Stellung nehme, können Sie wirklich
nicht von mir erwarten.«
Kaum hatte sich die Haustür hinter ihr geschlossen,
änderten sich ihr Ausdruck und ihr Verhalten. Selbst Toby
wagte nicht, ihr über den Weg zu laufen.
Luther rief

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