Das Haus Am Potomac
an, um die Aufzeichnungstermine zu
bestätigen. Abigails erregte Stimme schallte durchs ganze
Haus. »Ja, ich habe es gesehen. Soll ich Ihnen mal was
sagen? Ich habe das jetzt wahrscheinlich in der Tasche.
Wenn nur nicht diese verdammte Sendung über meinem
Kopf schweben würde. Ich habe Ihnen ja gesagt, daß das
eine miserable Idee ist. Jetzt sagen Sie mir nur nicht, Sie
wollten mir helfen. Sie wollten, daß ich mich Ihnen
gegenüber verpflichtet fühle, wie wir beide wissen.«
Abigail senkte die Stimme, und Philip und Toby
tauschten Blicke.
»Was haben Sie herausgefunden?« fragte Philip.
»Pat Traymore war letzte Woche in Apple Junction. Sie
ist bei der Zeitung vorbeigegangen und hat sich einige alte
Ausgaben besorgt. Sie hat Saunders aufgesucht, diesen
Kerl, der Abby nachgestellt hat, als sie ein junges Ding
war. Er hat ihr ein Loch in den Bauch geredet. Dann hat
sie der pensionierten Schuldirektorin, die Abby kannte,
einen Besuch abgestattet. Ich war zufällig bei Pat zu
Hause in Georgetown, als Saunders anrief.«
»Wie sehr könnte einer von denen der Senatorin
schaden?« wollte Philip wissen.
Toby zuckte mit den Schultern. »Das hängt davon ab.
Haben Sie etwas über das Haus in Erfahrung gebracht?«
»Einiges«, antwortete Philip. »Wir haben uns an das
Maklerbüro gewandt, das dies Haus seit Jahren verpachtet.
Sie hatten einen neuen Mieter dafür fest an der Hand, aber
die Bank, die das Ganze treuhänderisch für die Erben
verwaltet, teilte ihnen mit, jemand aus der Familie wolle
das Haus bewohnen und es wäre nicht mehr zu
vermieten.«
»Jemand aus der Familie?« wiederholte Toby. » Wer aus
der Familie?«
»Ich nehme an, Pat Traymore«, erwiderte Philip
sarkastisch.
»Werden Sie nicht frech«, fuhr Toby ihn an. »Ich
möchte wissen, wem das Haus jetzt gehört und wer aus
der Familie es benutzt.«
Pat sah sich mit gemischten Gefühlen die
Berichterstattung von Potomac Cable über den Rücktritt
des Vizepräsidenten an. Im Anschluß an Luthers Sendeteil
sagte der Moderator, es werde für unwahrscheinlich
gehalten, daß der Präsident den Nachfolger noch vor
Neujahr bestimmen werde.
Und unsere Sendung wird am siebenundzwanzigsten
ausgestrahlt, dachte Pat.
Es war so, wie Sam am Abend ihres ersten Tages in
Washington vorausgesagt hatte; sie würde vielleicht ihre
Hand im Spiel haben, wenn zum ersten Mal eine Frau ins
Amt des Vizepräsidenten gewählt wurde.
In der letzten Nacht war sie wieder von Angstträumen
geplagt aus dem Schlaf hochgeschreckt. Konnte sie sich
wirklich so deutlich an ihre Mutter und ihren Vater
erinnern, oder brachte sie die Filme und Fotos, die sie von
ihnen gesehen hatte, mit der Wirklichkeit durcheinander?
Die Erinnerung daran, wie er ihr das Knie verbunden hatte
und mit ihr Eis essen gegangen war, war echt. Dessen war
sie sich sicher. Aber hatte es nicht auch Zeiten gegeben, in
denen sie sich das Kissen über die Ohren gezogen hatte,
weil es wütende Streitereien gegeben hatte und
hysterisches Geschluchze?
Sie wollte die Sachen ihres Vaters zu Ende sichten.
Sie hatte voller Verbissenheit das gesammelte Material
durchgesehen und sich dabei ertappt, daß sie sich in
zunehmendem Maße wegen der Dinge, die ihre Mutter
betrafen, Sorgen machte. Da waren mehrere Briefe von
ihrer Großmutter an Renée. In einem davon, der sechs
Monate vor der Tragödie geschrieben war, hieß es: »Renée, Liebes, der Ton Deines Briefes bekümmert mich.
Wenn Du befürchtest, daß Du neue Anfälle von
Depressionen bekommst, begib Dich bitte sofort in
Behandlung.«
Den Zeitungsartikeln zufolge hatte ihre Großmutter
behauptet, Dean Adams sei labil veranlagt gewesen.
Sie fand einen Brief, den ihr Vater ein Jahr vor ihrer
beider Tod an ihre Mutter geschrieben hatte:
Liebe Renée, ich bin ziemlich außer mir, daß Du den
ganzen Sommer mit Kerry in New Hampshire bleiben
willst. Du mußt wissen, wie sehr Ihr beide mir fehlt. Ich
muß unbedingt nach Wisconsin. Warum läßt Du es nicht
auf einen Versuch ankommen? Wir könnten für die Zeit,
die Du hier bist, einen Steinway mieten. Ich verstehe
durchaus, daß Mutters altes Spinett kaum das Richtige für
Dich ist. Bitte, Liebste. Mir zuliebe.
Pat kam sich vor, als versuchte sie, eine Bandage von
einer eiternden Wunde zu entfernen. Je näher sie an die
Wunde herankam, desto schwerer wurde es, den
verklebten Verband abzuziehen. Der Schmerz,
psychischer und physischer Art, wurde immer stärker.
Ein
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