Das Haus Am Potomac
Karton war voller Weihnachtsschmuck und
elektrischer Kerzen. Das brachte sie auf eine Idee. Sie
würde sich einen kleinen Weihnachtsbaum besorgen.
Warum nicht? Wo waren Veronica und Charles jetzt? Sie
sah in deren Reiseplan nach. Morgen würde ihr Schiff in
St. John anlegen. Sie fragte sich, ob sie die beiden wohl zu
Weihnachten telefonisch erreichen könnte.
Das Eintreffen der Post war eine willkommene
Unterbrechung. Da waren jede Menge Karten und
Einladungen von Freunden in Boston. »Komm wenigstens
für den einen Tag, wenn Du es einrichten kannst.«
»Wir sind alle gespannt auf Deine Sendung.«
»Dafür einen Emmy, Pat – nicht nur die Nominierung.« Ein Brief war ihr vom Boston Cable TV nachgesandt
worden. Auf dem Umschlag war ein Aufkleber mit der
Adresse der Absenderin: CATHERINE GRANEY, 22
BALSAM PLACE, RICHMOND, VA.
Graney, dachte Pat. So hieß doch der Pilot, der
zusammen mit Willard Jennings ums Leben gekommen
war.
Der Brief war kurz:
Liebe Miss Traymore, ich habe gelesen, daß Sie an der
Vorbereitung einer Sendung über Senatorin Abigail
Jennings arbeiten. Nachdem ich das Glück hatte, einige
Ihrer hervorragenden Dokumentarsendungen zu sehen,
und obwohl ich voller Bewunderung für Sie bin, sehe ich
mich nun gezwungen, Ihnen mitzuteilen, daß die Sendung
über Senatorin Abigail Jennings unter Umständen einen
Prozeß nach sich ziehen kann. Ich warne Sie: Geben Sie
der Senatorin keine Gelegenheit, sich zum Tode von
Willard Jennings zu äußern. Hindern Sie sie, Ihrem
eigenen Wohl zuliebe, daran, zu behaupten, ein Fehler des
Piloten habe ihren Mann das Leben gekostet. Dieser Pilot,
mein Mann, ist ebenfalls umgekommen. Und glauben Sie
mir, es ist bitter, daß sie einer gramgebeugten Witwe so
übel mitzuspielen wagt. Wenn Sie mich sprechen wollen,
übel mitzuspielen wagt. Wenn Sie mich sprechen wollen,
6841.
Pat ging ans Telefon und wählte die Nummer. Es läutete
mehrmals. Gerade als sie wieder auflegen wollte, hörte sie
ein eiliges Hallo. Es war Catherine Graney. Im
Hintergrund war es laut, als wären da viele Menschen. Pat
versuchte, sich mit ihr zu verabreden. »Es geht erst
morgen«, sagte ihr die Frau. »Ich führe einen
Antiquitätenladen und habe heute den ganzen Tag offen.«
Sie verabredeten eine Uhrzeit, und sie erklärte Pat
schnell den Weg.
Am Nachmittag ging Pat einkaufen. Als erstes suchte sie
eine Kunsthandlung auf, denn sie wollte einen der alten
Stiche aus dem Büro ihres Vaters, ein Seestück, neu
rahmen lassen. Das sollte Sams Weihnachtsgeschenk
werden.
»Das habe ich in einer Woche für Sie fertig, Miss. Das
ist ein schöner Stich. Ist einiges Geld wert, falls Sie ihn
mal verkaufen wollen.«
»Ich möchte ihn nicht verkaufen.«
Sie hielt in der Nähe ihres Hauses bei einem
Delikatessengeschäft und bestellte Lebensmittel, unter
anderem auch eine kleine Pute. Dann kaufte sie im
Blumenladen zwei Weihnachtssterne und eine
immergrüne Ranke für den Kamin. Sie fand einen
Weihnachtsbaum, der ihr bis zur Schulter reichte. Die
schönsten Weihnachtsbäume waren schon fort, aber dieser
war einigermaßen gut gewachsen, und die Fichtennadeln
hatten einen herrlichen Schimmer.
Am frühen Abend war sie mit dem Schmücken fertig.
Der Baum stand in der Nähe der Terrassentüren. Der
Kaminsims war mit dem Immergrün geschmückt. Ein
Weihnachtsstern stand auf dem niedrigen runden Tisch
neben der Couch, der andere auf dem Beistelltischchen bei
dem kleinen Zweiersofa.
Sie hatte alle Bilder aufgehängt. Dabei hatte sie raten
müssen, wohin sie jeweils gehörten, doch nun war das
Zimmer fertig. Ein Feuer, dachte sie. Hier brannte immer
ein Feuer. Sie legte eines an, zündete das Papier und das
Kleinholz an und stellte den Schutzschirm davor. Dann
machte sie sich ein Omelett und einen Salat und trug alles
auf einem Tablett ins Wohnzimmer. An diesem Abend
wollte sie einfach nur fernsehen und sich entspannen. Sie
hatte das Gefühl, daß sie es übertrieben hatte, daß sie
ihrem Gedächtnis Zeit lassen müßte, von sich aus
Erinnerungen freizusetzen. Sie hatte damit gerechnet, daß
dieser Raum ihr zuwider wäre, aber trotz des Schreckens
in dieser Nacht neulich fand sie es warm und gemütlich.
Barg dieser Raum auch glückliche Erinnerungen für sie?
Sie stellte den Fernseher an. Auf dem Bildschirm waren
der Präsident und die First Lady zu sehen. Sie bestiegen
gerade die Air Force One, um zu Weihnachten auf ihren
Familienbesitz zu
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