Das Haus Am Potomac
etwas Freimütiges, Ehrliches an
sich. Das ermöglichte es ihr, gleich auf den Grund ihres
Besuches zu sprechen zu kommen. »Mrs. Graney, Sie
können sich wohl denken, daß Ihr Brief mich ziemlich
erschreckt hat. Aber können Sie mir verraten, warum Sie
sich nicht direkt an den Sender gewandt und statt dessen
an mich geschrieben haben?«
Catherine Graney nahm einen Schluck von ihrem
Kaffee. »Wie ich Ihnen schon sagte, habe ich eine ganze
Reihe Ihrer Dokumentarsendungen gesehen. Ihrer Arbeit
ist etwas Rechtschaffenes anzumerken, und ich kann mir
nicht vorstellen, daß Sie bewußt dazu beitragen würden,
eine Lüge aufrecht zu erhalten. Darum appelliere ich an
Sie, dafür zu sorgen, daß in dieser Jennings-Sendung nicht
der Name George Graney fällt und daß Abigail Jennings
im Zusammenhang mit Willards Tod nicht von einem
»Fehler des Piloten« spricht. Mein Mann konnte alles
fliegen, das Flügel hatte.«
Pat dachte an die schon abgesegneten
Programmsegmente. Die Senatorin hatte dem Piloten die
Schuld gegeben – aber hatte sie eigentlich seinen Namen
erwähnt? Pat war sich nicht sicher. Aber sie erinnerte sich
noch an Einzelheiten des Unfallhergangs. »Haben die
Untersuchungsergebnisse nicht gezeigt, daß Ihr Mann zu
niedrig flog?« fragte sie.
»Das Flugzeug flog zu niedrig und prallte gegen den
Berg. Als Abigail Jennings anfing, diesen Absturz als
Mittel dazu zu benutzen, ihren Namen als Fürsprecherin
für bessere Flugsicherheitsvorschriften in die Zeitung zu
bekommen, hätte ich sofort Einspruch erheben sollen.«
Pat beobachtete, wie der irische Setter, da er aus der
Stimme seiner Herrin deren Anspannung heraushörte,
aufstand, sich streckte, gemächlich durch den Raum
trottete und sich zu ihren Füßen niederließ. Catherine
beugte sich vor und tätschelte ihn.
»Warum haben Sie denn nicht sofort Einspruch
erhoben?«
»Aus vielen Gründen. Wenige Wochen nach dem Unfall
bekam ich ein Baby. Und vermutlich wollte ich es aus
Rücksicht auf Willards Mutter nicht.«
»Willards Mutter?«
»Ja. Schauen Sie, George hat Willard Jennings ziemlich
häufig geflogen. Sie wurden gute Freunde. Die alte
Mrs. Jennings wußte das, und nachdem der Absturz
bemerkt worden war, kam sie zu mir – zu mir, nicht zu
ihrer Schwiegertochter –, und wir saßen zusammen und
warteten gemeinsam auf die letzte Meldung. Sie hat für
die Erziehung meines Sohnes eine großzügige Summe
Geldes angelegt. Ich wollte sie nicht damit unglücklich
machen, daß ich die Waffe, die ich hatte, gegen Abigail
Jennings verwendete. Wir hatten beide schlimme
Vermutungen, aber ihr war jeglicher Skandal verhaßt.«
Drei Standuhren schlugen gleichzeitig die Stunde. Es
war ein Uhr. Sonnenlicht strömte in den Raum. Pat fiel
auf, daß Catherine Graney an ihrem goldenen Ehering
drehte, während sie sprach. Anscheinend hatte sie nie
wieder geheiratet. »Was für eine Waffe hätten Sie denn
gegen sie verwenden können?« erkundigte sich Pat.
»Ich hätte Abigails Glaubwürdigkeit zerstören können.
Willard war todunglücklich mit ihr und in der Politik. An
dem Tag, an dem er starb, hatte er bekanntgeben wollen,
daß er keine Wiederwahl anstrebe und daß er den Posten
eines Collegepräsidenten annehmen wolle. Er wollte das
Leben eines Akademikers. An diesem letzten Morgen
hatten er und Abigail auf dem Flugplatz einen heftigen
Streit. Sie flehte ihn an, seinen Rücktritt nicht
anzukündigen. Und er erwiderte ihr, direkt vor George und
mir: ›Abigail, das kann dir ganz und gar egal sein. Wir
sind fertig miteinander.‹«
»Abigail und Willard Jennings standen kurz vor einer Ehescheidung ?«
»Dieses ›ehrbare Witwe‹-Gehabe ist nichts weiter als
Pose. Mein Sohn, George Graney Junior, ist jetzt Pilot bei
der Air Force. Er hat seinen Vater nie gekannt. Aber ich
werde nicht zulassen, daß er noch länger unter ihren
Lügen zu leiden hat. Und ob ich den Prozeß gewinne oder
nicht, ich werde dafür sorgen, daß alle Welt erfährt, wie
falsch und verlogen sie ist.«
Pat wählte ihre Worte vorsichtig. »Mrs. Graney, ich
werde bestimmt alles tun, was ich kann, um dafür zu
sorgen, daß über Ihren Mann nicht in abschätziger Weise
gesprochen wird. Aber ich muß Ihnen sagen, daß ich die
persönlichen Unterlagen der Senatorin gesichtet habe und
daß alles, was ich gesehen habe, darauf hindeutet, daß
Abigail und Willard Jennings einander sehr geliebt
haben.«
Catherine Graney blickte spöttisch. »Ich
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