Das Haus am stillen See: Mittsommerglück (German Edition)
den Vermögensverwalter angerufen, den ihre Eltern mit der Abwicklung ihres Erbes beauftragt hatten. Er hatte ihr versichert, dass sie jederzeit Zugriff auf ihr nicht unbeträchtliches Vermögen haben würde.
Doch für Stina bedeutete dies nur ein äußerst klägliches Trostpflaster.
Patrick war mit seinem Latein am Ende. Er hatte Stunden damit verbracht, jeden einzelnen Menschen anzurufen, mit dem Stina Kontakt aufgenommen haben könnte. Ohne den geringsten Erfolg. Niemand hatte von seiner Frau gehört, niemand wusste, wo sie sich aufhielt. Verzweifelt barg er das Gesicht in den Händen. Gab es denn gar nichts, was er tun konnte?
All seine Hoffnungen ruhten nun auf Harald und Margrit. Doch die Tatsache, dass die beiden sich bislang noch nicht gemeldet hatten, verhieß nichts Gutes. Trotzdem sprang er auf, als er seinen Wagen die Einfahrt hinauffahren hörte.
Da klingelte plötzlich das Telefon. Wie von der Tarantel gestochen sprang Patrick auf und riss den Hörer von der Gabel. “Stina? Mein Gott, ich bin so froh, dass …”
“Es tut mir leid, Patrick, aber ich bin es bloß”, unterbrach Harald ihn am anderen Ende der Leitung.
“Habt ihr sie gefunden?”
“Nein, leider nicht. Wir haben wirklich jeden im Ort nach Stina gefragt. Und es gab tatsächlich ein paar Leute, die sich zu erinnern glaubten, den Kombi am frühen Nachmittag gesehen zu haben. Und dann schließlich entdeckten wir den Wagen auf der Rückseite des Bahnhofs.”
“Und Stina?”
“Keine Spur von ihr. Der junge Ölvarson vom Fahrkartenschalter meint, Stina hätte sich an einem der Automaten ein Ticket gezogen. Wohin, konnte er leider auch nicht sagen”, erklärte Harald. “Daraufhin haben wir den Wagen noch einmal genau unter die Lupe genommen. Wir haben einen Zettel gefunden und … hm … nun, es steht dein Name darauf. Soll ich ihn lesen?”
Resigniert ließ Patrick die Schultern hängen. Er konnte sich schon vorstellen, was in dem Brief stand, den Stina ihm hinterlassen hatte. “Ja, bitte tu das.”
Für einen Moment hörte er nur das leise Rascheln von Papier, dann meldete sich Harald zurück. “Es tut mir schrecklich leid, Patrick, aber es scheint ein Abschiedsbrief zu sein. Stina schreibt, dass sie die Scheidung einreichen und sich zu gegebener Zeit wieder mit dir in Verbindung setzen wird. Wohin sie gehen will, erwähnt sie aber nicht. Ich …”
“Es ist schon gut, daran lässt sich jetzt nichts ändern.” Frustriert schüttelte er den Kopf. “Stina ist jetzt schon mindestens fünf Stunden fort, und wir treten immer noch auf der Stelle. Mit dem Zug kann sie praktisch überallhin gereist sein! Es ist, als würden wir die Nadel im Heuhaufen suchen.” Er ballte die Hände zu Fäusten. Würde er Stina jemals wiedersehen? “Verdammt, ich werde noch wahnsinnig! Es muss einfach irgendjemanden geben, der weiß, wo sie sich aufhält.”
Und dann kam ihm plötzlich eine ganz absurde Idee. Es war völlig verrückt, aber Patrick war so weit, dass er bereit war, sich an jeden Strohhalm zu klammern. Er musste es wenigstens versuchen.
“Was ist los, du sagst ja gar nichts mehr. Bist du in Ordnung?”
“Ich glaube, mir ist gerade ein Weg eingefallen, wie ich Stina doch noch finden könnte. Ich kann es jetzt nicht erklären, aber ich muss schnellstens zum Flughafen. Hoffentlich bekomme ich heute Abend noch einen Flug nach Stockholm. Wünscht mir Glück!”
“Aber was hast du denn vor?”, fragte Harald, doch Patrick hatte das Gespräch bereits beendet.
10. KAPITEL
N ervös lenkte Patrick seinen Mietwagen durch die Straßen Stockholms. Ihm schwirrte der Kopf, doch zugleich war er von Hoffnung erfüllt. Er hatte eine Chance, und das war immerhin schon mehr als vorher. Jetzt hing alles von einem einzigen Gespräch ab. Und er konnte sich schon glücklich schätzen, so kurzfristig überhaupt einen Termin bekommen zu haben. Tinka Johansson war schließlich nicht irgendwer, sondern ein viel beschäftigtes und gefragtes Mannequin.
Als er vor dem Haus vorfuhr, das ihm die Agentin genannt hatte, atmete er tief durch und stieg aus. Hier sollte das Model an diesem Vormittag eine Fotosession haben. Es war nicht einfach gewesen, das Management von Tinka Johansson zu überzeugen, ein Gespräch mit ihr zu vereinbaren, aber am Ende hatte er es doch geschafft. Aber mehr als ein paar Minuten zwischen zwei Fotoshootings waren leider nicht drin – doch das musste reichen.
Trotzdem war ihm beklommen zumute, als er die Stufen bis ins Atelier
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