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Das Haus an der Düne

Das Haus an der Düne

Titel: Das Haus an der Düne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Salomon-Inseln soll es doch noch Kannibalen geben, nicht wahr?», erkundigte sich Poirot scheinheilig.
    «Muss ein prima Kerl sein. So etwas macht einen doch wieder stolz darauf, Engländer zu sein.»
    «Jedenfalls tröstet es über die Niederlagen in Wimbledon hinweg», sagte Poirot.
    «Aber, ich – ich wollte doch auf keinen Fall», stammelte ich.
    Mit einer eleganten Handbewegung wischte mein Freund den Entschuldigungsversuch beiseite.
    «Ich für meine Person», verkündete er, «bin Kosmopolit und keine Amphibie wie das Gefährt Ihres armen Captain Seton. Zudem hege ich, wie Sie ja wissen, schon immer große Bewunderung für die Engländer. Sie gilt beispielsweise der Gründlichkeit, mit der Sie sich der Lektüre ihrer Tageszeitung widmen.»
    Ich war inzwischen bei der Politik gelandet.
    «Der Innenminister scheint ganz schön in der Patsche zu sitzen», bemerkte ich still vergnügt.
    «Der Arme. O ja, und ob der Grund zur Sorge hat! Nicht zu knapp! Sodass er sogar höchst ungewöhnliche Stellen um Hilfe angesucht hat.»
    Ich machte große Augen.
    Mit einem feinen Lächeln zog Poirot ein ordentlich mit einem Gummiband zusammengehaltenes Bündel aus seiner Tasche – die Morgenpost. Dem entnahm er einen Brief und schob ihn mir über den Tisch zu.
    «Er hätte schon mit der gestrigen Post ankommen müssen», sagte er.
    Ich las den Brief und spürte dabei ein angenehmes Kribbeln vor Aufregung.
    «Ja, aber Poirot», rief ich. «Das ist ja höchst schmeichelhaft.»
    «Finden Sie, mein Freund?»
    «Er schwärmt in den höchsten Tönen von Ihren Fähigkeiten.»
    «Damit hat er ja auch vollkommen Recht», befand Poirot und schlug bescheiden die Augen nieder.
    «Er ersucht Sie, diese Angelegenheit für ihn zu bereinigen – betrachtet es sogar als persönlichen Gefallen Ihrerseits.»
    «Schon möglich. Es ist überflüssig, mir das alles mitzuteilen. Sehen Sie, lieber Hastings, ich habe den Brief ja bereits gelesen.»
    «Zu schade», rief ich aus. «So finden unsere Ferien ein abruptes Ende.»
    «O nein, nein, calmez-vous – das kommt überhaupt nicht infrage.»
    «Aber der Innenminister sagt, die Sache sei dringend.»
    «Damit mag er richtig liegen – oder auch nicht. Diese Politiker regen sich immer gleich auf. Ich kenne das, in der Abgeordnetenkammer in Paris beispielsweise…»
    «Ja, ja sicher, Poirot, aber sollten wir denn nicht mit den Vorbereitungen beginnen? Der Schnellzug nach London ist bereits fort – er fährt schon um zwölf. Der nächste Zug…»
    «Ruhig Blut, Hastings, ich flehe Sie an, ruhig Blut. Immer diese Aufregung, diese Emotion. Wir werden weder heute noch morgen nach London fahren.»
    «Aber dieser Auftrag…»
    «Geht mich nichts an. Ich gehöre nicht zu Ihrer Polizei, Hastings. Man bittet mich lediglich in meiner Eigenschaft als Privatdetektiv, einen Fall zu übernehmen. Eh bien, ich lehne ab.»
    «Sie lehnen ab?»
    «Aber ja. Ich schreibe mit vollkommener Höflichkeit, drücke mein Bedauern aus, entschuldige mich überschwänglich und erkläre, dass ich am Boden zerstört bin – was wollen Sie mehr? Ich habe mich zurückgezogen – meine Karriere ist beendet.»
    «Aber Sie sind noch lange nicht am Ende!», rief ich mit großer Wärme aus.
    Poirot tätschelte mein Knie.
    «Da spricht der wahre Freund – der treue Weggefährte. Und dabei haben Sie auch noch völlig Recht. Die grauen Zellen funktionieren noch tadellos – der Aufbau, die Methodik –, alles noch immer da. Aber, mein Freund, abgetreten ist abgetreten. Es ist zu Ende. Ich möchte keine Diva sein, die ihrem Publikum ein Dutzend Abschiedsvorstellungen zumutet. Mit stiller Größe sage ich: Lasst die junge Generation ans Ruder. Vielleicht gelingt ihnen sogar etwas Bemerkenswertes. Ich bezweifle es zwar, aber es ist immerhin möglich. Jedenfalls dürften ihre Fähigkeiten ausreichen, diese fraglos langweilige Affäre des Innenministers zu klären.»
    «Aber Poirot, die Ehre, der Ruhm!»
    «Da stehe ich längst drüber. Dem Innenminister ist es als klugem Mann natürlich klar, dass allein die Inanspruchnahme meiner Dienste einen erfolgreichen Abschluss der Angelegenheit garantiert. Was wollen Sie? Er hat Pech. Hercule Poirot hat seinen letzten Fall gelöst.»
    Ich sah ihn an. In meinem tiefsten Innern bedauerte ich seine Halsstarrigkeit. Ein derartiger, wie im Brief angedeuteter Fall hätte seinem ohnehin weltberühmten Ruf noch ein wenig mehr Glanz verliehen. Und dennoch rang mir seine unnachgiebige Haltung Achtung ab. Plötzlich

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