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Das Haus an der Düne

Das Haus an der Düne

Titel: Das Haus an der Düne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Äußeres.
    Dann betrachtete ich die Frau. Sie saß mir genau gegenüber in einem großen Sessel und hatte gerade ihren Hut abgenommen. Sie war ein ungewöhnlicher Typ – sie glich einer müden Madonna. Ihr blondes, beinahe farbloses Haar trug sie in der Mitte gescheitelt und im Nacken zu einem Knoten geschlungen. Ihr abgezehrtes Gesicht war kalkweiß – und dennoch auf eine unerklärliche Weise anziehend. Die Iris ihrer Augen schimmerte hellgrau und die Pupillen waren stark geweitet. Ihre ganze Person strahlte eine seltsame Gleichgültigkeit aus. Sie sah mich unverwandt an. Plötzlich begann sie zu sprechen.
    «Setzen Sie sich doch – bis Ihr Freund mit Nick fertig ist.»
    Sie hatte eine affektierte Stimme, matt und künstlich – doch auch sie besaß eine seltsame Anziehungskraft –, sie klang irgendwie eindringlich, schleppend und gleichzeitig schön. Sie schien mir die apathischste Person zu sein, der ich je begegnet bin. Was von ihr ausging, war eine Apathie des Geistes, als ob sie alles auf der Welt für hohl und nichtig hielte.
    «Miss Buckley war liebenswürdigerweise meinem Freund behilflich, als er sich heute Morgen den Knöchel verstauchte», erklärte ich und nahm ihr Angebot an.
    «Das hat Nick bereits erzählt.» Sie betrachtete mich noch immer träge. «Jetzt ist sein Knöchel wieder in Ordnung, oder?»
    Ich fühlte, wie mir unter ihrem Basiliskenblick das Blut ins Gesicht schoss.
    «Nur eine vorübergehende Zerrung», erklärte ich.
    «Oh! Gut, ich bin froh, dass Nick die ganze Sache nicht erfunden hat. Wissen Sie, sie ist die begnadetste Lügnerin auf Gottes Erdboden. Erstaunlich, aber es ist schließlich auch ein Talent.»
    Ich wusste beim besten Willen nicht, was ich dazu sagen sollte. Meine Verlegenheit schien sie zu amüsieren.
    «Nick ist eine meiner ältesten Freundinnen», stellte sie fest, «und ich habe Loyalität immer für eine langweilige Tugend gehalten, und Sie? Mehr etwas für Schotten – so etwas wie Sparsamkeit oder Sonntagsgebote. Dabei ist Nick schließlich wirklich eine Schwindlerin, nicht wahr, Jim? Diese abenteuerliche Geschichte mit ihren Bremsen – Jim meint, da sei gar nichts dran gewesen.»
    Der blonde Mann sagte mit weicher, wohl tönender Stimme: «Und ich verstehe ein bisschen etwas davon.»
    Er wandte seinen Kopf. Draußen zwischen den anderen Autos stand ein langer, roter Wagen mit einer langen, metallisch glänzenden Kühlerhaube. Es schien länger und intensiver rot als jedes andere Auto. Ein Superauto!
    «Ist das Ihr Wagen?», fragte ich aus einem plötzlichen Impuls heraus.
    Er nickte.
    Ich unterdrückte das wilde Verlangen zu sagen: «Genau danach sieht er auch aus!»
    In diesem Augenblick kam Poirot zu uns zurück. Ich stand auf, er nahm mich am Ellbogen und zog mich mit einer schnellen Verbeugung davon.
    «Es hat geklappt, mein Freund. Wir treffen uns um halb sieben mit Mademoiselle in ihrem Haus. Dann ist sie von ihrer Autopartie zurück. Ja, ganz sicher ist sie dann wieder zurück – und zwar heil und gesund.»
    Er machte ein besorgtes Gesicht und auch sein Ton verriet Sorge.
    «Was haben Sie ihr gesagt?»
    «Ich bat sie um eine möglichst schnelle Unterredung. Natürlich reagierte sie zuerst ein wenig unwillig. Sie hat gedacht – ich konnte ihre Gedanken förmlich lesen: ‹Wer ist nur dieser kleine Mann? Ist er ein Prolet, ein Hochstapler, ein Filmregisseur?› Sie war zunächst etwas unwillig und hätte gerne abgelehnt – aber das ist schwer – auf eine derart spontane Anfrage fällt eine Zusage leichter als eine Absage. Sie wird jedenfalls um halb sieben zuhause sein. Ca y est! »
    Ich stellte fest, das wäre dann wohl in Ordnung, aber meine Bemerkung wurde eher ungnädig aufgenommen. In der Tat war Poirot auf dem Sprung wie die sprichwörtliche Katze. Den ganzen Nachmittag tigerte er in unserem Wohnzimmer auf und ab, hielt leise Selbstgespräche, arrangierte ständig sämtliche Nippesfiguren neu und rückte sie gerade. Als ich ihn ansprechen wollte, winkte er nur ab und schüttelte den Kopf.
    Schließlich brachen wir bereits um sechs vom Hotel auf.
    «Es scheint alles so unwirklich», bemerkte ich beim Hinuntergehen. «Jemanden im Hotelgarten erschießen zu wollen. Nur ein Verrückter würde so etwas tun.»
    «Da bin ich ganz anderer Ansicht. Unter bestimmten Voraussetzungen wäre es sogar eine ziemlich sichere Sache. Zunächst muss es ein einsamer Garten sein. Hotelgäste sind wie eine Schafherde. Wenn es üblich ist, auf der Terrasse mit

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