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Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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mal …«
    Das Bedürfnis war stärker als die Angst. Mehr noch, es war stärker als die Scham. Sie ließ ihn stehen und ging zum Ende der Terrasse, wo sie sich neben den Sockel mit dem Mörser hockte, und ließ es laufen. Es war die größte körperliche Erleichterung, die sie je in ihrem Leben gespürt hatte.
Gält es, jetzt zu sterben, jetzt wär mir’s höchste Wonne …
Irgendwie gab ihr dieses lächerlich unpassende Othello-Zitat Halt. Sie blickte auf und sah die beiden Gorillas, den großen Ajax und den kleinen Ajax, wie sie sie in Gedanken nannte, bedrohlich über sich.
    »Geben Sie acht, daß Sie nicht in meinen xanthischen Linn treten«, sagte sie im Aufstehen. »Falls Sie nicht etwa auf Natursekt stehen.«
    Sie wandte sich zu Jorge um und deutete auf das Dach des Pavillons, das in dem schwindenden Licht des aufziehenden Sturms kaum zu erkennen war.
    »Da, dort ist es. Das Haus da, es wird ›der Kommandoposten‹ genannt, abgekürzt › KP ‹.«
    Plötzlich ging in Gunnery House das Licht an. Ein goldener Schimmer verbreitete sich über der Terrasse, und Feenie tauchte mit einer hölzernen Kiste auf, auf der ein großes rotes Kreuz prangte.
    »Ich muß was sehen«, sagte sie kalt zu Jorge, der so aussah, als wolle er sich über die Beleuchtung beschweren. »Was ist los, Ellie?«
    »Der Herr hier hat sich nach dem Kommandoposten erkundigt«, antwortete Ellie.
    »Warum das?« Ihre Stimme blieb gleichmütig, aber Ellie kam es so vor, als hätte sie etwas wie Schreck auf ihrem Gesicht gesehen.
    »Das hat er nicht gesagt.«
    Feenie kniete sich neben Novello, zog eine Schere hervor und machte sich daran, ihr das T-Shirt aufzuschneiden.
    »Sachte! Das war nicht billig«, ächzte Novello.
    Tapferer kleiner Soldat.
    Vielleicht sind es die Alten und die Jungen, die mit solchen Situationen am besten fertigwerden, entweder mit ihrer Erfahrung oder mit ihrer Unschuld. Wir dazwischen sind es, die zusammenklappen.
    Wendy Woolley kniete sich neben Feenie, ohne Jorge auch nur mit einem Blick um Erlaubnis zu bitten, und half ihr, die Wunde zu säubern und zu verbinden.
    »Glatter Durchschuß«, sagte Feenie. »Hat vielleicht den Knochen gestreift, mehr nicht. Ein lausiger Schuß, oder auch ein richtig guter.«
    Sie wirkte sehr sachkundig.
    »Das machen Sie wohl nicht zum ersten Mal«, bemerkte Wendy.
    »Habe schon Schlimmeres gesehen. Sie stellen sich aber auch nicht ungeschickt an, meine Liebe.«
    Wendy errötete und sagte: »Danke. Was ist denn das, was Sie da auftragen?«
    Feenie hatte mit den Fingern etwas aus einem Marmeladenglas herausgeholt, das wie Gänsefett aussah, und es auf Novellos Wunde geschmiert.
    »Das ist eine Salbe, die Mrs. Stonelady für mich gemacht hat. Fragen Sie mich nicht, was drin ist. Ich weiß nur, daß es mir mehr geholfen hat als alles, was unser staatlicher Gesundheitsdienst zu bieten hat, als ich mich beim Holzhacken am Fuß verletzt habe.«
    »Schafgarbe«, sagte Ellie. »Ich wette, das ist Schafgarbe.«
    Mrs. Stonelady sah sie anerkennend an und nickte.
    Mein Gott, dachte Ellie. Was geht hier vor? Schießwütige Strolche, die neueste Medizin aus dem Trojanischen Krieg, alle tapfer, tatkräftig und trotzig, und ihr eigener Beitrag hatte darin bestanden, in aller Öffentlichkeit zu pinkeln! Gott sei Dank hatte Rosie das nicht mit angesehen!
    Rosie. Wo war sie bloß?
    Vor ihrem geistigen Auge sah sie, wie das Mädchen und die Hunde urplötzlich aus dem Gebüsch hervorstürzten und der unberechenbare Kerl mit der Pistole sie einfach abknallte. Vielleicht war es besser, wenn sie von ihr wußten.
    Die beiden Latinos und Popeye beratschlagten sich.
    Tapfer stand sie auf, trat zu ihnen und sagte: »Entschuldigung. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß meine Tochter da irgendwo im Garten ist …«
    »Deine Tochter? Im Garten? Wo?«
    Jorge war herumgewirbelt und fuchtelte mit seiner Pistole herum.
    »Nein, bitte, sie ist noch ein Kind. Keine Gefahr. Sie spielt mit den Hunden. Nur kleine Hunde, die sind ganz harmlos. Ich wollte es Ihnen nur sagen, damit Sie nicht überrascht werden und zu schießen anfangen …«
    Eine Möglichkeit auszusprechen macht sie wahrscheinlicher. Ellie spürte, wie ihre Stimme zitterte.
    »Keine Sorge, Schätzchen«, sagte Popeye. »Ich und Luis werden unseren Wild Bill Hickock unter Kontrolle halten. Dieser Pavillon da, den Sie KP nennen, was ist das denn für ein Ding?«
    »Eine Art von Sommerhaus, glaube ich. Wo man hingehen und ganz bequem die Schiffe beobachten

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