Das Haus an der Klippe
kann, oder auch einen Sturm auf dem Meer.«
»Sieht so aus, als wär das jetzt ein günstiger Moment dafür«, meinte Popeye.
Er hatte recht. Der Wind hatte die Wolkenwirbel über den ganzen Himmel getrieben, der sich zusehends verdüsterte. Auf dem Meer zeigten sich Schaumkronen.
»Dieser KP , ist das denn ein größeres Gebäude?«
»Ich war erst einmal da«, antwortete Ellie, »aber er hat jedenfalls mehrere Räume. In dem großen, dem Panoramasaal, wie er genannt wird, kann man eine Feier abhalten. Dafür ist er jedenfalls angelegt. Es gibt Wasser und Strom. Oh, und außerdem ist da ein Keller, wo man Wein und Vorräte lagern kann, damit man nicht alles von hier rüberbringen muß.«
Sie wunderte sich selbst, wie ruhig sie auf einmal wurde, kaum daß sie nicht mehr über ihre Tochter sprach. Das wäre eine Gelegenheit, mal eine Abhandlung über die nervenstärkende Kraft des Urinierens zu schreiben. Nimm kein Prozac, kaue statt dessen Löwenzahn.
»Ellie, was erzählst du denen da?«
Feenie war zu ihnen getreten, und ihr Ton drückte Mißfallen aus.
Wo glaubt sie wohl, daß wir hier sind? Wieder bei der Résistance, wo wir uns tapfer weigern, Kameraden an die Gestapo auszuliefern?
»Wie geht’s der Kleinen?« fragte Popeye.
»Sie wird’s überstehen, aber sie braucht einen Arzt. Ich hoffe, Sie haben sich gerade darüber unterhalten«, sagte Feenie streng.
»Nicht direkt. Ich bin sicher, sie wird das noch eine Weile länger aushalten, wenn ihr euch um sie kümmert, Schätzchen. Wir werden euch so bald wie möglich in Ruhe lassen, und dann könnt ihr sie nach Herzenslust verarzten.«
Die beiden Latinos schienen für den Moment nichts dagegen zu haben, daß Popeye mit den Einheimischen sprach, aber Jorge begann ungeduldig zu werden.
»Dieser Pavillon, kommen wir da mit einem Lastwagen ran?« wollte Popeye wissen.
»Auf keinen Fall«, erklärte Feenie. »Und ich sehe auch keine Veranlassung dazu. Alles, was irgendwie von Wert war, wurde rausgeholt, als die Gemeinde das Betreten des Geländes für zu gefährlich erklärte.«
»Gefährlich? Wieso gefährlich?«
Das war Jorge, der wieder einmal jemandem mit seiner Pistole vor dem Gesicht herumfuchteln mußte.
Feenie rümpfte die Nase, als würde sie durch eine besonders stinkende Zigarre belästigt.
»Gefährlich in dem Sinne, daß er jeden Augenblick ins Meer stürzen könnte. Deshalb ist auch der Zutritt zum ganzen Garten jenseits der Absperrung verboten. Man hat mir versichert, daß das Gewicht eines Menschen ausreichen könnte, um einen Erdrutsch auszulösen. Und ein Lastwagen oder dergleichen würde erst recht eine Lawine auslösen.«
Das ist aber ein bißchen dick aufgetragen, dachte Ellie. Wie auch immer, wenn auch nur irgendwas an dem dran war, was Feenie sagte, dann wäre es doch ein geschickter Schachzug, die Schurken geradewegs dorthin zu schicken!
»Nicht gerade scharf drauf, daß wir uns deinen kostbaren Kommandoposten anschauen, was?« sagte Popeye verschlagen. »Ich mach dir einen Vorschlag. Warum machen wir nicht alle zusammen einen kleinen Ausflug, und du und deine Freundinnen, ihr geht voran, wie es die Frauen in Kambodscha machen, wenn Papa spazierengeht. Kommt ja nicht oft vor, daß ein Asiat einer Frau den Vortritt gibt, aber zeig ihm ein Minenfeld, und schon wird er Feminist.«
Jorge und Luis sprachen miteinander auf spanisch, aber zu schnell für Ellie. Schließlich nickte Jorge Popeye zu.
»Dann wollen wir mal«, sagte Popeye. »Also, meine Damen. Hier entlang, bitte schön. So ist’s richtig. Hübsch brav bleiben, und ihr könnt euer Abendessen fortsetzen, bevor ihr ein Ave-Maria gesprochen habt. Ihr habt noch keinen Pudding gehabt, so wie’s aussieht. Feine Damen wie ihr sollten nicht auf ihren Pudding verzichten müssen. Die Alten voran. Und ihr zwei, helft der Polizistin.«
Ellie und Daphne sahen Feenie hilfesuchend an.
»Was soll der Blödsinn«, sagte sie. »Sie darf sich nicht bewegen. Haben Sie schon vergessen, daß sie gerade angeschossen worden ist?«
»Nein, aber Sie scheinen das vergessen zu haben, Schätzchen«, erwiderte Popeye. »Wenn meine Freunde sie hierlassen sollen, dann nur, wenn sie ihr vorher noch eine Kugel verpassen.«
Feenie besann sich einen Moment und nickte dann den beiden jüngeren Frauen zu, die zu Novello traten. Die Wunde war verbunden, und Novellos linker Arm hing in einer Schlinge. Sie sah sehr bleich aus und schwankte, als sie ihr auf die Füße halfen, gab aber keinen Laut von
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