Das Haus auf den Klippen
an, Tomaten für einen
Salat in Scheiben zu schneiden. » But you forgot to remember – Du hast vergessen, dran zu denken«, trällerte der Sänger.
Das rauschende Singen des Windes nahm wieder an Kraft zu. »Reeememmmmmbemrr«.
Menley durchlief ein Schauer, als sie nach dem Staudensellerie griff. Adam wird bald hier sein, hielt sie sich vor Augen.
Plötzlich war ein Geräusch zu hören. Was war das? War eine
Tür aufgeschlagen? Oder ein Fenster? Da stimmte etwas nicht.
Sie stellte energisch das Radio aus. Das Baby! Schrie die
Kleine? War das ein Aufschrei oder ein unterdrücktes, würgendes Geräusch? Menley rannte zur Anrichte, packte das Babyphon und hielt es sich ans Ohr. Wieder ein gedrosseltes Luftholen – und dann nichts. Das Baby war im Begriff zu ersticken!
Sie hastete aus der Küche in die Eingangshalle und auf die
Treppe zu. Ihre Füße berührten kaum die Stufen, als sie nach
oben in den ersten Stock raste, und unmittelbar darauf war sie an
der Tür zum Kinderzimmer angelangt. Vom Babybett her war
kein Ton zu hören. »Hannah, Hannah«, rief sie.
Hannah lag mit ausgestreckten Armen auf dem Bauch und
rührte sich nicht. Voller Panik beugte sich Menley hinunter, hob
das Baby auf und drehte es gleichzeitig herum. Vor Entsetzen
weiteten sich ihre Augen.
Der Porzellankopf der antiken Puppe lag an ihre Hand gelehnt
da. Ein aufgemaltes Gesicht starrte ihr entgegen.
Menley versuchte zu schreien, aber sie brachte keinen Ton
heraus. Und dann hörte sie hinter ihrem Rücken eine Stimme
flüstern: »Tut mir leid, Menley. Es ist alles vorbei.«
Sie wirbelte herum. Scott Covey stand neben der Wiege, eine
Pistole in der Hand.
Die Wiege. Hannah lag darin. Da regte sich Hannah und begann zu wimmern. Eine Flut der Erleichterung durchströmte
Menley, sofort gefolgt von einem Ansturm des Entsetzens. Sie
fühlte sich plötzlich ganz benommen, überwältigt von einem
Gefühl von Unwirklichkeit. Scott Covey? Warum? »Was machen Sie hier?« vermochte sie zu fragen, obwohl ihre Lippen so
trocken waren, daß sie beinahe nicht die Worte herausbekam.
»Das versteh ich nicht. Wie sind Sie reingekommen?«
Coveys Gesichtsausdruck war genauso wie sonst auch immer:
höflich, aufmerksam. Er trug einen Trainingsanzug und Sportschuhe. Aber sie waren trocken. Wieso war er nicht vollkommen
durchnäßt? fragte sich Menley.
»Es spielt keine Rolle, wie ich reingekommen bin, Menley«,
stellte er in freundlichem Tonfall fest. »Das Problem ist, daß ich
länger, als ich dachte, gebraucht habe, um herzukommen, aber
da Adam ja in New York ist, macht es nichts aus.«
Adam? Hatte er mit Adam gesprochen?
Es war, als könnte er ihre Gedanken lesen. »Elaine hat’s mir
gesagt, Menley.«
»Elaine? Das versteh ich nicht.« Ihre Gedanken überschlugen
sich. Was geht hier vor sich? Das kann doch nicht wahr sein.
Das ist ein Alptraum! Scott Covey? Warum? Sie und Adam hatten sich mit ihm mehr oder weniger angefreundet. Sie hatte
Adam bedrängt, ihn zu verteidigen. Adam hatte ihn vor einer
Mordanklage bewahrt. Und Elaine? Was hatte Scott mit Elaine
zu tun? Es erschien alles so unwirklich.
Aber die Pistole in seiner Hand war Wirklichkeit.
Hannah wimmerte lauter und fing an aufzuwachen. Menley sah
den verärgerten Ausdruck in Coveys Miene. Er warf einen Blick
auf das Baby hinunter, und die Hand mit der Pistole bewegte sich.
»Nein!« schrie sie auf. Sie beugte sich rasch zu der Wiege vor
und packte Hannah. Gerade als sie die Kleine an sich drückte,
gingen die Lichter aus, und sie rannte aus dem Zimmer.
Im Dunkeln stürzte sie zur Treppe. Sie mußte sich konzentrieren. Sie kannte jeden Winkel des Hauses. Scott dagegen nicht.
Wenn es ihr doch nur gelang, den Küchenausgang zu erreichen,
bevor er sie fand. Der Zündschlüssel hing an dem Haken
daneben. Der Kombiwagen stand gleich draußen. Sie brauchte
nur eine Minute dazu. Sie rannte seitlich die Stufen hinunter und
betete im stillen darum, daß sie nicht knarren würden.
Er war ihr nicht auf den Fersen. Er mußte in die andere Richtung gelaufen sein; vielleicht schaute er in den anderen Schlafzimmern nach ihr. Bitte, Gott, bitte, Gott, schenk mir bloß diese
eine Minute, betete sie.
Ein Donnerschlag entlud sich über dem Haus, und Hannah
begann laut zu schreien.
Der heranrasende Zug, Bobbys Aufschrei, ihre eigene gellende Stimme. Menley verdrängte die Erinnerung. Sie hörte über
sich eilige Schritte. Er kam hinter ihr her. Während sie Hannah
ganz fest an sich schmiegte,
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