Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Titel: Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
Einen Tritt gegen das Schienbein, auch gut. Aber rede endlich mit uns. Rede … mit … uns! «
    Zu viert saßen sie im Baumhaus um einen niedrigen Korbtisch herum, auf dem einige Getränke zur Auswahl standen. Es hätte ein angenehmer Vormittag sein können. Der Wind blähte die Segelvorhänge, das Blattwerk rauschte, und die Vögel waren Zaungäste, als Iolana Max und den beiden Freundinnen ihre schaurige Geschichte erzählte.
    Â» Er hieß Kimo. Wir waren beide fünfzehn Jahre alt und liebten uns. An einem Neumondabend lernten wir uns kennen, es war auf einem Fest, wir tanzten um eine Akazie herum. Von da an schenkte er mir an jedem Neumondabend eine aus Akazienholz geschnitzte Figur, mal einen Einbaum, in dem zwei Menschen saßen, mal ein tanzendes Paar, mal einen Mann auf der Jagd oder eine Frau mit einer Orchidee. «
    Iolana legte sieben Schnitzereien auf den Korbtisch.
    Â» Kimo wollte mich heiraten, aber er hatte vor zu warten, bis er einen eigenen Hausstand gründen konnte, und das war erst nach seiner Prüfung zum Jungmann möglich. Eines Tages kam ihm ein anderer Mann zuvor: Akamu. Wir kannten uns kaum, er lebte in einem anderen Dorf, aber er war auf der Suche nach einer Frau, und ich gefiel ihm. Also wandte er sich der Sitte gemäß an meinen Vater und warb um mich. Als Kimo davon hörte, ging auch er zu meinem Vater. «
    Iolana machte eine Pause, in der sie ein ganzes Glas Wasser austrank. Keiner wagte sie zu unterbrechen.
    Â» Mein Vater war ein sehr « , sie suchte nach einem Wort, » traditioneller Mann und damals schon recht alt. Er war in einer Zeit geboren worden, als die Franzosen alles daransetzten, die Riten und Gebräuche auf den Marquesas-Inseln abzuschaffen und ihre eigenen Vorstellungen von Zivilisation durchzusetzen. Zum großen Bedauern und Missfallen meines Vaters hatten sie damit allmählich Erfolg. Die Götter, die Tänze, die Medizin, ein Bestandteil unserer Kultur nach dem anderen geriet in Vergessenheit. Akamu stammte wie mein Vater aus einer den Traditionen verhafteten Familie, Kimo aus einer fortschrittlichen, daher wollte er mich mit Akamu verheiraten. Immerhin bot er Kimo eine letzte Möglichkeit, mich doch noch zur Frau zu bekommen: Er sollte ein uraltes Ritual praktizieren und mit Akamu … um mich kämpfen. «
    Mit den Händen fuhr Iolana sich zitternd durch die langen schwarzen Haare, und man sah ihr an, dass die Erlebnisse aus der Vergangenheit wie ein Film vor ihr abliefen.
    Â» Ich wollte nicht, dass Kimo um mich kämpft. Lass uns fortgehen, sagte ich zu ihm, was kümmern uns die scheußlichen Rituale von vorgestern. Aber er … er wollte mich nicht auf diese Weise gewinnen. Er fand sie unaufrichtig. «
    Iolana senkte den Kopf und fügte mit trauriger Stimme hinzu: » Er hatte keine Chance gegen Akamu. Nach zwanzig, dreißig Herzschlägen war der Kampf vorüber. Akamu hätte Kimo verschonen können, aber er tat es nicht. «
    Die Betroffenheit, die im Baumhaus herrschte, wich nach und nach ungläubigem Entsetzen, als Iolana mit ihrer Geschichte fortfuhr.
    Â» Wie schon gesagt, Akamu stammt aus einer sehr traditionsverhafteten Familie, und wenn ich Tradition sage, dann meine ich auch jene Gebräuche, die ihr alle vermutlich für längst ausgestorben haltet. «
    Elsa, Max und Paulette sahen sich an.
    Â» Du meinst doch nicht etwa …? Nein, das … « , stammelte Elsa.
    Iolana nickte. » Akamu hat … « Iolana beugte sich vornüber, verbarg die Hände zwischen den Schenkeln und begann von Neuem. » Akamu hat den Leichnam zerlegt, und mein Vater hat ihm dabei geholfen. Sie haben Kimos Glieder und Eingeweide auf dem Feuer gebraten, und ich … ich … habe dabei zugesehen. Ich hätte mich weigern können … sollen … müssen. Aber von dem Moment an, als Kimo tot war, hatte ich keinen eigenen Willen mehr. Ich war wie eine Puppe. Sie hätten mich in ein Gewässer stürzen können, und ich wäre untergegangen, ohne mich zu bewegen. Reglos saß ich da, während der Mann, den ich geliebt hatte, den ich noch immer liebte, von meinem Vater und meinem künftigen Ehemann … «
    Iolana krümmte sich wie unter einem Magenkrampf, und alle waren ratlos, was sie Tröstendes sagen oder tun könnten.
    Auf Elsa wirkte die Geschichte wie ein Schauerroman, der in einer unheimlichen Welt in ferner Vergangenheit

Weitere Kostenlose Bücher