Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman
anderes übrig als der Rückzug.
Nachdem er gegangen war, sagte Iolana: » Also gut, ich ziehe ins âºPacificoâ¹. «
Noch in derselben Stunde setzte sie ihre Ankündigung in die Tat um, packte ein paar Kleider und persönliche Sachen ein. Bei ihrem Abschied war sie wortkarg, wenn auch nicht böse oder verbittert, und als sie mit Max in das Auto stieg, wusste Elsa nicht, wie sie sich fühlen sollte. Einerseits freute sie sich, weil Mele eine Heimat im Haus der blauen Schmetterlinge gefunden hatte, andererseits trauerte sie, weil Iolana fortan nicht mehr Teil dieses Hauses sein würde. Und da war noch ein drittes Gefühl. Fortan würden Iolana und Max mehr denn je ein Paar sein. Auch wenn Elsa sich Mühe gab, dies zu akzeptieren, sich für ihre Freundin zu freuen und jedes verbotene Gefühl im Keim zu ersticken, blieb dennoch ein kleiner Aschehaufen aus grausamer Hoffnung übrig.
Fünfter Teil â »Mörderin«
Dunkle Wolken über Matupia
Die heilige Myrtle hatte ein weiteres Mal das Nachsehen gehabt. In ihrer Verbitterung setzte sie Gerüchte in die Welt â das » Pacifico « sei ein Bordell, Elsa des Teufels, in der Villa fänden heidnische Feste statt und so weiter â, die man in puritanischen Kreisen gerne glaubte. Die Fronten waren verhärtet, aber die Gegner der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Port Rabauls gerieten mehr und mehr in die Defensive. Die immer zahlreicher werdenden Tages- und Wochengäste brachten weitere Geschäftseröffnungen mit sich, Hotels, Restaurants, eine Schaubühne. Der Herrenclub verkam zu einem verstaubten Relikt und schloss im Sommer 1940 für immer seine Tore. Kaum zu glauben, dass er noch acht Jahre zuvor der gesellschaftliche Mittelpunkt Rabauls gewesen war, eines Städtchens, von dessen Existenz nur ausgewiesene Kenner der Südsee wussten. Bald verlegte sogar die australische Administration ihren Sitz dorthin. Der verwitwete Gouverneur machte Elsa Avancen, sprach sogar von Liebe, aber sie lieà sich weiterhin nur auf Männergeschichten ein, die als Short Storys taugten.
Die Partys und Empfänge im Haus der blauen Schmetterlinge gingen ebenfalls weiter, allerdings erlitten sie dasselbe Schicksal wie die einst so herrlich unbeschwerten Abende im » Café Pacifico « , nämlich dass die Anwesenden die meiste Zeit über den europäischen Krieg sprachen. Versenkte Flugzeugträger, die Luftschlacht über England, Bomben auf London, die deutsche Besetzung der Niederlande, Dänemarks, Norwegens, Belgiens und Luxemburgs, der Vormarsch nach Frankreich â solche Themen bestimmten in zunehmendem Maà die Unterhaltungen, und Elsa hatte alle Mühe, die Festgäste auf andere Gedanken zu bringen.
Gelegentlich stichelte jemand gegen Elsa, sobald er erfuhr, wer ihr Vater gewesen war.
» Wie ich höre, sind Sie Deutsche, Madame « , sagte eines Abends mit tadelndem Unterton ein französischer Hersteller von Dosenfrüchten.
» Wie ich höre « , entgegnete sie lächelnd, » stammen Sie aus Lothringen. Vor einigen Jahrzehnten wären Sie ebenfalls noch Deutscher gewesen. «
Nicht nur um unqualifizierten Kommentaren zu entgehen, sondern weil sie tatsächlich so empfand, beantwortete sie immer häufiger Fragen nach ihrer Herkunft mit dem Satz: » Ich bin aus Matupia. « Elsas Seele, Geist und Körper hatten ihr Zentrum in der paradiesischen, von höllischen Vulkanen umgebenen Bucht gefunden.
Für Max war es weit schwieriger als für sie, sich öffentlich von seiner Herkunft zu distanzieren. Dass er, wie die gesamte übrige Familie, neben Deutsch auch noch perfekt Französisch und Englisch sowie recht gut Polynesisch und Melanesisch sprach, hatte ihn lange Zeit geschützt. Jene, die nur seinen Vornamen kannten, kamen gar nicht erst auf die Idee, er könnte Deutscher sein. Nun aber sprach es sich herum, woran â wie könnte es anders sein â die heilige Myrtle ihren Anteil hatte. Für ihn war das besonders schlimm, da er zum einen schon vor langer Zeit mit Deutschland, ja, mit ganz Europa abgeschlossen hatte, und weil er zum anderen der Meinung war, dass Nationalitäten überbewertet waren und in einer Bar keine Rolle spielen sollten. Einige Briten, Franzosen, Holländer, Australier und Amerikaner mieden von da an jedoch das » Pacifico « . Um das Café nicht zu schädigen, wollte Max sich aus dem
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