Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman
einen Schluck Champagner, » wenn ich es ohne dich mache, weià ich nicht, wie ich den breitschultrigen Polizisten ausknocken soll, der das Camp bewacht. «
Die Polizei von Port Rabaul bestand aus einer Handvoll träger Einheimischer, die ein ebenso träger Australier anführte und die allesamt nicht gut auf Elsa zu sprechen waren. Bis vor einigen Jahren hatten sie nicht viel zu tun gehabt, schlimmere Verbrechen als ein betrunkener Matrose, der jemandem über den Schuh kotzte, Zechprellerei oder die eine oder andere Schlägerei hatte es nicht gegeben. Mit dem gröÃeren Hafen, den gröÃeren Passagierschiffen, dem Hotel, dem Café, dem Lichtspielhaus, dem Kasino und den immer zahlreicher werdenden Gästen hatten auch Zahl und Qualität der Verbrechen zugenommen. Zimmer wurden aufgebrochen, Geldbörsen entwendet. Jüngst war sogar ein Automobil gestohlen gemeldet worden. Seither gab es viel zu tun. Die Aufklärungsquote ging gegen null Prozent, während der Anteil von Methodisten in den Reihen der Polizei gegen einhundert Prozent ging.
Aus diesem Grund konnte Elsa den Wächter vor dem Camp nicht einfach bestechen. Wenn Elsa den Methodisten von Port Rabaul etwas zugutehielt, dann dass sie ihren Glauben wichtiger nahmen als Geld und dass sie zusammenhielten wie eine groÃe Familie, deren Matriarchin die heilige Myrtle war. Die Chancen, dass der Polizist Elsa mit Mele gegen Geld hätte davonziehen lassen, standen fünfzig-fünfzig. Daher musste eine andere Lösung her.
Während sie sich im Schutz der Dunkelheit dem von einer Palisade umgebenen Camp von hinten näherte, verwickelte Max den Wächter in ein unverfängliches Gespräch. Die beiden kannten sich, Max hatte einst die Rückenprobleme des gewichtigen Tolai kuriert, ferner einige unappetitliche Leiden, die nur zwei Männer im Vieraugengespräch erwähnen konnten. Als Elsa die Spitze der Palisade überwand, unterhielten sich die beiden gerade über den Wanderweg eines Gallensteins. Als sie auf der anderen Seite der Palisade herunterplumpste und dabei einen krächzenden Laut von sich gab, zückte Max einen Flachmann und lenkte den Wächter so von dem ungewohnten Geräusch ab. Whisky rieselte dem Methodisten, der offiziell Abstinenzler war, nur selten die Kehle hinunter, dafür jedoch mit umso gröÃerer Dankbarkeit â und Wirkung. Nach einer Viertelstunde, exakt der Zeit, die Elsa benötigte, um Mele aus ihrem Bett zu holen, hing der gute Mann schläfrig wie ein Flughund über einem niedrigen Ast. Elsa und Mele konnten unentdeckt aus dem Camp fliehen und erreichten das bereitstehende Auto, in dem Max sie schon erwartete. Elsa setzte sich ans Steuer, Max nahm neben ihr Platz und Mele auf dem Rücksitz. Das Mädchen sagte keinen Ton. Wie ein Kätzchen, das sich über etwas wundert, sah sie die beiden Befreier abwechselnd an. Vielleicht hatte zum ersten Mal in ihrem Leben jemand etwas für sie riskiert, für sie gekämpft.
Als sie die Villa erreichten, beendete die Natur eine Nacht wie so viele: mild, vom Konzert der Zikaden, des Passats und der Nachttiere des Waldes begleitet. Zwischen den Vulkanen, die sich wie Monumente aus der allmählich weichenden Dunkelheit schälten, leuchtete ein schmales, helles Band am Horizont hinter der Matupi Bay. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis die Farben erwachten. Zaghaft zunächst das blasse Blau des Himmels, in das von unsichtbarer Hand mehr und mehr Leuchtkraft gegossen wurde. Gefolgt von der kupfernen Glut des Gesteins in der aufgehenden Sonne. Dann orangerote Wolkenberge. Danach ein dunkelgrüner Teppich aus Baumwipfeln, getüpfelt von vierfarbigen Bougainvilleen. Und schlieÃlich die Explosion des Blaus in der Bucht, gepaart mit dem Perlenweià der Wellenschläge.
Elsa brachte Mele in eines der Gästezimmer, deckte sie zu und gab ihr einen Stirnkuss, bevor sie wieder nach unten in den Salon ging. In die Morgensonne gehüllt, stand Max auf der Terrasse.
So verbunden wie in diesem Moment hatte Elsa sich ihm noch nie gefühlt, auch nicht damals, als sie bei ihm in der Hüttenpraxis gewohnt hatte. Die Rettung eines Kindes, die Verschwörung war wie eine Blase, in der es nur sie beide gab, und es war, als wäre Mele ihr gemeinsames Kind. Ging Max Ãhnliches im Kopf herum? Ihr war danach zumute, seine Hand zu ergreifen, aber im letzten Moment versagte sie sich diese Geste.
» Mele
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