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Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Titel: Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Worte wirken. » Ich nehme an, Sie ahnen, worum es sich bei dem Dokument handelt. «
    Nun war tatsächlich alles verloren! Erst in diesem Moment war Elsa sich vollauf bewusst, dass Henning der Fluch ihres Lebens war, sogar über seinen Tod hinaus. Sie selbst hatte ihn einst eingelassen, seither war er der dunkle Schatten, der nicht mehr wich. Eine zweite Ehe, ein Kind, ein riesiges Vermögen und die halbe Welt zwischen ihr und ihm hatten ihn nicht abschütteln können, auch wenn es für eine gewisse Zeit so ausgesehen hatte. Ihr finaler Befreiungsschlag führte genau zum Gegenteil: Mehr denn je war sie eine Gefangene dieses Mannes. Ihre Rache an ihm war zu seiner Rache an ihr geworden.
    Henning war nicht der einzige Fluch ihres Lebens. Elsa hatte Myrtle Malone nie wirklich ernst genommen, nie gefürchtet, sondern allenfalls als ein lästiges Ärgernis angesehen. Tatsächlich war sie jedoch die Schlange im Paradies. Jahrelang hatte sie auf ihre Chance gewartet, und nun war sie gekommen.
    Â» Warum hassen Sie mich? « , fragte Elsa resigniert. » Gewiss, wir sind sehr verschieden. Aber was habe ich Ihnen getan, dass Ihnen meine Vernichtung eine solche Genugtuung bereitet? «
    Myrtle Malone schien sich mit einem Mal unwohl zu fühlen. Dass eine andere Frau ihr die eigenen negativen Gefühle offenbarte, noch dazu eine Gegnerin, musste für eine Heuchlerin wie sie eine verstörende Erfahrung sein. Die folgerichtige mimische Reaktion ihrerseits war daher Empörung über die Behauptung, dass sie so etwas Ungeheuerliches wie Lust empfinden könnte, noch dazu am Schmerz eines Gotteskindes. Aber irgendetwas machte sie in dieser Stunde zu einem ehrlichen Menschen, auch sich selbst gegenüber. Vielleicht war das Triumphgefühl stärker als ihr frommes Selbstbild, vielleicht war es auch nur die Tatsache, dass sie in Freiheit war und demnach alles richtig gemacht hatte, wohingegen ihr Gegenüber in Haft saß.
    Â» Das fragen Sie noch? « , zischte sie. » Seit je verhöhnen Sie alles, woran ich glaube. Meine Stadt haben Sie in einen Zirkus verwandelt, meine Kirche in eine Randerscheinung. Sie sind eine verkommene, eitle, gierige Person, eine Verführte, die zur Verführerin geworden ist. Sie sind das Böse und wundern sich, dass ich das Böse verabscheue. Jawohl, ich verabscheue und hasse Sie. «
    Sie stand auf. » Wenn ich mich morgen, sobald die Verhandlung eröffnet ist, erhebe und dem Gericht dieses Beweismittel übergebe, dann geht es mit Ihnen zu Ende. Das wird mir eine ganz persönliche Freude sein. «
    Elsa fand es bezeichnend, dass die heilige Myrtle bei der Aufzählung ihrer Sünden den Mord unerwähnt gelassen hatte. Offenbar waren in ihren methodistischen Augen wechselnde Männerbekanntschaften sowie die Eröffnung eines Cafés weit schlimmere Vergehen – möglicherweise weil die irdische Gesetzgebung so etwas nicht bestrafte.
    Â» Das war nicht die Wahrheit « , erwiderte Elsa. » Jedenfalls nicht die ganze. In Wirklichkeit hassen Sie mich, weil ich Ihnen entkommen bin. Sie lieben es, Macht über Ihre Gläubigen zu haben, und Sie lassen nur jene Gesetze gelten, die Sie selbst geschrieben haben. Beidem habe ich mich entzogen, und ich muss Ihnen sagen: Dafür lohnt es sich, zugrunde zu gehen. «
    Myrtle Malone presste die Lippen zusammen. Ohne ein weiteres Wort ging sie hinaus.

K urzer Prozess
    Der Morgen des 20. Januar 1942 war diesig. In der Nacht hatte es geregnet, und nun dampfte der Wald. Die verschleierte rote Sonne ließ die feuchte Luft pfirsichfarben leuchten, und die den Himmel durchquerenden Fregattvögel kamen wie aus dem Nichts, in das sie Sekunden später wieder verschwanden. Ihre hellen Schreie und die klagenden Laute der Schiffshörner wirkten durch den Dunst gespenstisch, was aber auch daran lag, dass es an diesem Morgen stiller war als an anderen Tagen im sonst so betriebsamen Port Rabaul.
    Die Leute drängten ins Gericht. Bis in die Flure standen die Schaulustigen, um den ersten Mordprozess mitzuerleben, der je in Port Rabaul verhandelt wurde. Die Hafenstadt war erst seit wenigen Jahren Gouverneurssitz, die Verhandlungen hatten bisher in anderen Städten stattgefunden. Morde waren ohnehin selten, und wenn es doch welche gab, handelte es sich meistens um Stammesfehden von Einheimischen, die bei den Weißen kaum auf Interesse stießen.
    Ein Raunen ging durch den Saal, als

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